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Mord an Fabian (4) - Warum verteidigt jemand solche Menschen?

Die Anwälte Matthias Waldraff (l.) und Timo Rahn.

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Hannover/Barsinghausen. Am 13. Januar erschütterte der Tod des kleinen Fabians (4) die Menschen weit über die Grenzen von Barsinghausen hinweg. Die Ausrede der Mutter Małgorzata W. und ihres Lebensgefährten Daniel G., dass der Junge aufgrund eines Treppensturzes verstarb, wurde aufgrund der massiven Verletzungen schnell aufgedeckt. Vor Gericht wurde das ganze Ausmaß der Gewalt gegen das Kind deutlich und erschütterte die Menschen. Viele Menschen forderten in den sozialen Medien harte Strafen und stellten sich die Frage, warum verteidigen die Anwälte solche Täter? Wir haben mit den renommierten Anwälten Matthias Waldraff und Timo Rahn gesprochen.

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Die Auflistung der Gewalttaten durch die Staatsanwaltschaft Hannover zu Prozessbeginn war erschütternd. Schon kurz nach dem Umzug der Mutter Małgorzata W. mit ihren Kindern Fabian (4) und der mittlerweile siebenjährigen Tochter im Mai 2022 nach Barsinghausen, begannen drakonische Strafen aus Nichtigkeiten gegen die Kinder. Besonders Fabian wurde immer heftiger geschlagen und bestraft. Ein ausgeschlagener Zahn, Kieferbruch, Schädelhirntrauma, Arme und Beine aufgebläht von Einblutungen aufgrund massiver Schläge mit einem Fleischklopfer. „Mehr verletzte Haut als unverletzte Körperstellen“, so sagte es die medizinische Gutachterin im Prozess. Die Misshandlungen wurden von beiden „Eltern“ zugegeben, das Landgericht verurteilte am Montag, 11. Dezember die beiden aufgrund von Mord durch Unterlassen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.   

Warum verteidigt jemand solche Menschen?

In der Öffentlichkeit stellten sich viele Menschen die Frage, warum jemand für diese Menschen eintritt, und sie verteidigt, nachdem sie einem Kind so etwas antaten. In den sozialen Medien wurde der Prozess ausgiebig kommentiert, nicht wenige forderten harte Strafen, oder waren der Meinung, ein Prozess sei nicht notwendig – einfach für immer wegsperren. Wir haben mit den Anwälten über den Fall gesprochen. Matthias Waldraff verteidigte Mutter Małgorzata W. und Timo Rahn Daniel G. Die beiden Anwälte kamen ganz unterschiedlich zu den Mandaten.

Timo Rahn ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht und Verkehrsrecht in der Kanzlei Rautenstengel und Rahn in Hannover. Für ihn gehören auch solche Fälle zu seinem Job als Strafverteidiger. Die Kanzlei übernimmt weitestgehend jedes Mandat, wenn sich Menschen an die Rechtsanwälte wenden. „Wir übernehmen jeden Fall, egal, welcher Mensch da steht, oder wie die Anklage lautet“, so Rahn, „Und ja, uns ist bewusst, dass wir da bei manchen Fällen nicht die beliebtesten im Gerichtssaal sind. Wenn uns das wichtig wäre, müssten wir einen anderen Beruf ausüben.“ Der Jurist erklärt, dass das Recht auf einen Verteidiger ein sehr hohes Gut ist. „Es ist wichtig, dass jeder juristischen Beistand erhält. Er jemanden hat, der ihm das System erklärt, um sich verteidigen zu können.“ Ein fachlicher Beistand vor Gericht sei unverzichtbar, doch eines sollte dabei nicht vergessen werden erklärt Rahn: „Wir fordern ja nicht einfach nur Straffreiheit für die Mandanten, es geht vielmehr darum, diesen Menschen die Prozessregeln zu erklären. Aus menschlicher Sicht ist es für uns wichtig, dass wir uns diese begangenen Taten nicht zu eigen machen. Rein persönlich habe ich eine klare Meinung zu den Vorwürfen, die muss ich aber in solchen Fällen von meinem Job trennen und mich auf das Fachliche konzentrieren.“ Dies kann Belastungen nach sich ziehen, für die es dann in der Freizeit eines Ausgleichs bedarf. Rahn findet seine Ruhe beim Joggen.

Rechtsanwalt Matthias Waldraff erhielt das Mandat über den Strafverteidiger Notdienst, einen Tag nach den Vorfällen in Barsinghausen. „Ich hätte das sonst so nicht angenommen“, erinnert er sich, „An dem Samstag im Januar habe ich erfahren, was mich erwartet.“ Normalerweise könne er sich seine Fälle bundesweit aussuchen. Neben weiteren Fachgebieten ist Waldraff Strafverteidiger und bei der Kanzlei Waldraff Ackermann Cluesmann in Hannover. „Dann habe ich mir gedacht, gut, dann versuche ich damit klarzukommen. Aus meiner 43-jährigen Berufserfahrung weiß ich, dass solche Fälle belastend werden können, man aber professionell bleiben muss.“ Genau wie Rahn sagt auch Waldraff, dass man als Verteidiger zu den Taten eine eigene Meinung hat und die Taten nicht gutheißen kann. Jedoch habe jeder das Recht in Deutschland, von einem Fachmann bei einem Prozess begleitet zu werden. Dieses Gut sollte respektiert werden. „Jeder sollte ein sachliches und fachlich korrektes Verfahren erhalten, ohne das Emotionen urteilen.“

Auch Waldraff kennt die Schattenseiten des Berufs. In seiner langen Karriere habe er viel Schreckliches gesehen, auch die Bilder des zugerichteten Fabians in diesem Prozess gehörten dazu. „Das vergisst man nicht. Da wacht man manchmal nachts auf und hat wieder dieses Kopfkino, aber damit muss man lernen umzugehen“, so Waldraff. Obwohl er als Anwalt die Taten der Mandanten nicht gutheiße und nur fachlich zur Seite stehe, bekomme auch er Morddrohungen von Außenstehenden, was sich bis auf das eigene Familienleben auswirken könne. „Aber damit muss man als Anwalt im Kapitalstrafrecht leben“, erklärt Waldraff.