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Prozess: Getöteter 4-Jähriger – „Wir hätten es dem Jugendamt melden sollen!“

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Hannover/Barsinghausen. Am Freitag, 15. September, fand vor dem Landgericht Hannover ein weiterer Prozesstag im Fall des getöteten Fabian (4) aus Barsinghausen statt. Dem 33-jährigen Lebensgefährten Daniel G. und der 28-jährigen Kindsmutter Malgorzata W. wird Mord bzw. Mord durch Unterlassen in Tateinheit mit schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen und Freiheitsberaubung vorgeworfen. Dem Angeklagten G. wird zudem schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes zur Last gelegt. Am Freitag (15. September) wurde ein damals befreundetes Ehepaar gehört und auch die Notfallsanitäter kamen zu Wort.

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Daniel G. sei sein Arbeitskollege gewesen und man habe sich hin und wieder privat getroffen, erzählte der 61-jährige Barsinghäuser als Zeuge vor Gericht. Auch er ist aus Polen und kommunizierte per Dolmetscherin mit dem Gericht, auch seine 58-jährige polnische Partnerin wurde gehört. G. sei schon mit seiner damaligen Frau Violetta G. und seinen zwei leiblichen Söhnen hin und wieder zu Besuch gekommen. Erst später, nach der Trennung der beiden, will das Paar von der Gewalt in der Ehe erfahren haben. „Manchmal hat er aus Spaß den Kindern hinterher getreten, so wie man das beim Spielen mal macht, aber manchmal haben die Jungs dann geweint. Aber so war Daniel“, erinnert sich der 61-Jährige. Dann kam die Beziehung mit Malgorzata W., die ihre zwei Kinder in die Beziehung brachte. „Fabian hatte es schwer“, beschreibt das ältere Paar ihre Erlebnisse bei Besuchen. Fabian hatte bei den vier oder fünf Besuchen zwischen Mai und September 2022 immer eine Strafe abzusitzen. Wie Soldaten mussten sie an der Wohnungstür stehen bleiben und durften nichts essen und nicht spielen. Fabians Schwester (7) soll es leichter gehabt haben, durfte auch mal mit der gleichaltrigen Tochter des 61-Jährigen spielen.

Kinder sollen im Auto schlafen, während Daniel und Malgorzata auf dem Oktoberfest feiern

Die 58-Jährige konnte die Strafen nicht nachvollziehen. Als Gründe wurde stets genannt, dass die Kinder nicht artig waren, oder sich eingemacht hätten – aus Absicht, um die Eltern zu ärgern. „Es ist mein Zuhause, da wollte ich keine Strafen für die Kinder“, so die 58-Jährige, „Die waren bei uns doch immer brav.“ Doch gerade Malgorzata W. soll die Strafen stets durchgesetzt haben. G. habe nur wenig gesagt. Die Richterin zeigte ein Foto von Fabian und seiner Schwester, wie sie an der Tür stehen mussten. Der 61-Jährige hatte es bei einem der Besuche heimlich für seine Partnerin aufgenommen. „Dann haben wir bei einem der seltenen Besuche Verletzungen bei Fabian gesehen“, erklärt das Paar. Eine große Beule und zwei blaue Augen habe der Vierjährige gehabt. Das Paar drängte Malgorzata W. und Daniel G. dazu, damit zum Arzt zu gehen. „Fabian habe einen harten Kopf und es gehe ihm gut“, hieß es darauf nur. Fabian sei ein Tollpatsch und wieder die Treppe runtergefallen wurde als Erklärung gegeben. „Wir haben nie Gewalt gesehen, aber wir waren uns unsicher, ob die Geschichte so stimmt“, sagte das Paar aus.

Der Bruch und der Kontaktabbruch kamen zum Oktoberfest. Malgorzata W. und Daniel G. kamen zu einem - wie immer nur kurzen – Besuch. Sie wollten anschließend weiter nach Hannover, um auf ein Oktoberfest zu gehen. „Die Kinder sollten die Nacht im Auto verbringen“, erinnert sich der 61-Jährige, „Wir haben dann angeboten, dass die Kinder stattdessen bei uns übernachten.“ So kam es dann auch. „Ich habe Fabian im Vergleich zu meinen Enkeln immer jünger eingeschätzt“, so die 58-Jährige, „Er war so klein und dünn.“ Als die Eltern fort waren, bat Fabian die 58-Jährige um einen Kakao und Brot, da er so hungrig sei. Er bekam es. „Merkwürdig für die Kinder in diesem Alter war für mich auch, dass die Schwester ihre und auch Fabians Kleidung vor dem Schlafen perfekt zusammenlegte und ordentlich beiseitelegte“, so die 58-Jährige weiter, „Als dann Malgorzata unvermittelt um 5 Uhr morgens wieder vor der Tür stand und nach den Kindern rief, sprangen diese sofort aus dem Schlaf auf und gingen zu ihr.“ Die 58-Jährige hält Malgorzata W. für keine gute Mutter, glaubte die Kinder hätten Angst vor ihr. „Ihre Tochter wollte sie einmal umarmen, da stieß sie sie nur weg. Der Daniel hat sie öfter in den Arm genommen, wenn sie bei uns waren.“

Später erzählte die Tochter des 61-Jährigen ihrem Vater, dass Fabian ihr erzählt habe, dass Daniel ihn schlage. Er habe mit der Faust vorgemacht wie. Das Paar brach den Kontakt zu Malgorzata W. und Daniel G. ab. Der 61-Jährige schrieb noch eine SMS an Daniel, dass er seine Kinder nicht schlagen dürfe und dass er es melden wolle – doch dazu kam es nicht. „Wir waren uns nicht so sicher, da wir die Gewalt nie selbst gesehen haben und sprechen kaum Deutsch. Außerdem haben wir gehört, dass es schon Anzeigen gegen Daniel geben sollte“, erinnern sich beide. Rückblickend hätten sie es melden sollen, bereuen sie nun.

Sanitäter: „Das habe ich so noch nie gesehen“

Das Gericht befragte auch noch die beiden Notfallsanitäter, die an dem 13. Januar dieses Jahres zu der Familie fuhren. Ihnen wurde als Einsatzmeldungen gegeben, dass sie zu einer Reanimation eines Kindes müssten. „Als der jetzt Angeklagte uns die Tür öffnete, zweifelten wir erst daran, dass hier ein Kind reanimiert wird. Er war ruhig und desinteressiert“, erinnern sich der 34-jährige Sanitäter aus Hannover und der 24-jährige Sanitäter aus Barsinghausen, „Dann sahen wir die Mutter über ihrem Kind.“ Malgorzata habe sich für die Situation entsprechend verzweifelt gezeigt und ihr Kind nicht aus den Augen gelassen. Daniel G. sei weiter ruhig und gleichgültig geblieben. Die Geschichte mit dem Treppensturz glaubten die Sanitäter nicht mehr, als ihnen die weiteren Verletzungen auffielen. „Wir konnten den Jungen nicht intubieren, es hatte bereits eine erste Leichenstarre eingesetzt“, so der 24-Jährige. „Es kam uns alles merkwürdig vor und wir besprachen das auch mit dem dann eintreffenden Notarzt“, ergänzte der 34-Jährige. Auch sie beschrieben Fabien als unterernährt. „Aber sein Bein und sein Fuß waren so stark angeschwollen, als hätte man sie mit Luft aufgepumpt. Das habe ich noch nie gesehen“, so einer der Sanitäter. Wohl aufgrund der Gewalteinwirkungen mit dem Fleischklopfer des Vortages. „Aufgrund des nicht lebensfähigen Zustands des Jungen entschieden wir dann mit dem Notarzt, dass wir die Reanimation einstellen.“

Blut in der Küche, in der Abstellkammer und am Kindersitz

Auch ein 39-jähriger Ermittler des Kriminaldauerdienstes (KDD) gab Einblicke in seine Ermittlungen. „Schon aufgrund des Alters war es für uns kein alltäglicher Fall“, so der Ermittler, „So etwas belastet auch uns.“ Aufgrund des nicht natürlichen Todes und der vielen Verletzungen, durchsuchten die Ermittler mehrmals die Wohnung. Auch eine Laube und die Autos wurden begutachtet. In der Laube wurden eine zerrissene Kinderunterhose, Boxhandschuhe und Kabel gefunden – einen direkten Bezug zu den Taten konnte die Polizei aber nicht herstellen. Auf dem Kindersitz im Auto von G. fanden die Ermittler diverse Blutspuren und auch an den Küchenstühlen, im Wohnzimmer und in der Abstellkammer war Blut zu finden. In der Waschmaschine lag noch mit Kot verdreckte Kinderkleidung. Auch Handybilder von den Bestrafungen, die sich Malgorzata und Daniel schickten, wurden ausgewertet. Nicht eindeutig ermitteln konnten die Polizisten den Alkoholkonsum von Daniel G. „Da fehlt uns der zeitliche Rahmen, um das einzuschätzen. Lag das Leergut dort zwei Jahre, oder zwei Wochen“, so der Ermittler. In der Abstellkammer lagen fünf leere Vodkaflaschen. Im Keller noch mindesten 13 leere Flaschen.

Am Montag, 18. September, wird der Prozess vor dem Landgericht Hannover weitergehen.