Hannover/Egestorf. Heute könnte das Urteil im Revisionsprozess zu dem tödlichen Unfall am Kirchdorfer Rehr fallen. Die Angeklagten Ewa P. (42) und Marco S. (41) hatten mehrjährige Freiheitsstrafen erhalten und genau wie die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Bei dem Unfall am 25. Februar 2022 starben zwei kleine Kinder (2, 6) – die Mordanklage der Staatsanwaltschaft bestätigte das Landgericht in erster Instanz nicht. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte das Urteil dann teilweise aufgehoben, nun geht es wieder vor das Landgericht Hannover - allerdings vor eine andere Kammer. Heute wurden bereits weitere Zeugen gehört, die Plädoyers wurden nun gehalten - das Urteil wird morgen früh verkündet..
Nachdem am Vormittag mehrere Zeugen und eine Gutachterin gehört wurden, hatte die Verteidigung von P. vor der Mittagspause mehrere Anträge gestellt. Wichtigster Antrag ist die Ablehnung der bisherigen Gutachten über die Psyche und den Zustand der Angeklagten Ewa P. sowie die Einholung eines neuen Gutachtens und die Durchführung weiterer Tests.
Gericht weist Anträge der Verteidigung ab
Das Gericht hat rund eine halbe Stunde später als geplant um 14.30 Uhr den Prozess fortgesetzt, da die Kammer lange über die Anträge der Verteidigung diskutiert habe. Der Befangenheitsantrag der Gutachter wurde abgelehnt, da das Gericht keine Gründe für eine Unparteilichkeit feststellen konnte. Trotz mangelnder Mitarbeit der Angeklagten P. konnte am Ende ein Persönlichkeitsbild der Angeklagten gezeichnet werden. Der Antrag zur Überprüfung einer Posttraumatischen Belastungsstörung wurde abgelehnt, auch ein weiteres Gutachten wurde vom Gericht als nicht notwendig eingestuft. Damit konnte sich keiner der Anträge der Verteidigung durchsetzen.
Vermeintlicher Brief der Tochter von P. wird verlesen
Die Verteidigung bat sodann darum, einen mutmaßlichen Brief der Tochter der Angeklagten zu verlesen. Den nicht unterzeichneten und an P. adressierten Brief hatte der Bruder der Angeklagten der Verteidigung übergeben. Darin entschuldigt sich die Tochter, dass sie nicht vor Gericht erschienen sei. Sie hätte Angst gehabt, etwas falsch zu machen und dass alle sie anstarren. Sie dankte der Mutter, dass diese immer zu ihr stand, auch als sie mit 18 Jahren schwanger wurde. Sie habe ihr immer geholfen und sei auch bei der Geburt ihres Kindes dabei gewesen. Auch wenn sie ein problematisches Kind war, danke sie ihrer Mutter für alles. Auch wenn P. keinen Besuch der Kinder im Gefängnis wolle, würde sie gerne kommen. Die Richterin nahm das Schriftstück in die Akten auf.
P. ist kein Unschuldsengel
Nun geht es noch einmal um persönliche Daten und Stationen im Leben der beiden Angeklagten. Bei Ewa P. wurde dabei noch einmal auf Eintragungen im polizeilichen Führungszeugnis verwiesen wegen Trunkenheit am Steuer und Geschwindigkeitsüberschreitungen mittels PKW. Es wurde erinnert, dass sie sich nach dem Unfall nach Polen abgesetzt und dort verhaftet sowie rücküberführt werden musste und seither in Haft ist.
Angeklagter S.: "Mein Leben ist den Bach runter gegangen"
Der Angeklagte S. musste zum 30. September 2023 seine berufliche Tätigkeit beenden, ist seither arbeitslos und laut Arbeitsamt derzeit nicht vermittelbar. Mit seiner Frau ist er seit 2012 verheiratet, hat zwei Kinder (4 und 10 Jahre). Derzeit lebt er von Ersparnissen, hat eine Lebensversicherung aufgelöst. Aktuell ist er in Wunstorf in psychologischer Behandlung, hat Magenprobleme und erhöhten Blutdruck, Schlafstörungen, Albträume. Das Familienleben ist seit dem Unfall sehr belastet, der Sohn (10) hat viel mitbekommen und ist daher auch in psychischer Behandlung. Dann bricht seine Stimme kurz weg und wird zittrig: "Ich will mich nicht beklagen, da das Leben der anderen Familie schlimmer getroffen ist. Aber mein Leben ist den Bach runter gegangen".
Staatsanwaltschaft: "Es war kein Unfall! Es war ein Rennen."
Die Beweisaufnahme ist abgeschlossen, die Staatsanwaltschaft beginnt mit ihrem Plädoyer. Sie komme zu einer Neubewertung des Unfalls, so die Staatsanwältin. "Es war kein Unfall. Die verletzten Personen und verstorbenen Kinder sind nur auf das Verhalten der Angeklagten zurückzuführen - kein Unfall", beginnt sie. Sie wolle nicht alles aus der ursprünglichen Anklage wiederholen, der BGH habe diese ja in weiten Teilen bestätigt und nicht zur Revision zugelassen. Dennoch: Beide Angeklagten hatten hochmotorisierte Fahrzeuge und trafen sich zufällig am Kirchdorfer Rehr. Sie gingen beide gleich nach dem Kreisel in den Überholvorgang. P. blieb auf der Gegenspur. Beide beschleunigten weiter. Die Fahrbahn hinter ihnen beiden war völlig frei. Beide hätten sich zurückfallen lassen können. Die Geschwindigkeit war auf 70 km/h begrenzt. Die Kurve nach der Kuppe war uneinsehbar, doch beide beschleunigten weiter, bis sie nebeneinander mit ca. 180 km/h in die Kurve gingen. P. sei dann mit dem PKW kollidiert, kam ins Schleudern und traf den Wagen der Familie: "Mit fatalen Folgen." S. habe entgegen seiner Einlassungen erst gebremst, als er den Gegenverkehr sah. Beide hätten ein spontanes Rennen begonnen, um sich zu überbieten. Es sei bekannt, dass P. schon in der Vergangenheit auffällig war, auch heutige Zeugen bestätigten dies mehrfach, so die Staatsanwältin. "Trotz eines nur oberflächlichen Arbeitsverhältnisses warnten die Kollegen P. vor ihrer Fahrweise!" P. wurde bei gefährlichen Überholmanövern beobachtet - auch tagsüber, bei der bekannten Strecke am Kirchdorfer Rehr, der zu den Zeiten stark befahren war. Trotz des Entzugs der Fahrerlaubnis besorgte sich P. kurz nach dem Unfall ein neues Fahrzeug (Passat). Auch das gab eine Zeugin heute noch einmal bekannt. Beiden müsse, da sie weiter Gas gaben, bewusst gewesen sein, dass sie ein Rennen fahren. Keiner wollte die Kinder töten, aber das Verhalten zeige die Billigung dessen. Damit sei zwingend der Schluss zu ziehen, dass ein tödlicher Ausgang möglich sei - und das sei in Kauf genommen worden. Beide seien ortskundig, trotzdem seien beide immer weiter gerast. Das müsse man sich vor Augen führen: "Das ist ein Blindflug, ohne viel Ausweichmöglichkeiten für Gegenverkehr", so die Staatsanwältin.
"Das Vertrauen auf einen guten Ausgang darf nicht auf Hoffnung basieren"
Es sei lebensgefährlich für P. und unkontrollierbar gewesen - irrationale Selbsteinschätzung von P.. Nur weil bislang kein Unfall geschehen sei, könne man nicht auf einen guten Ausgang vertrauen: "Das Vertrauen auf einen guten Ausgang darf nicht auf Hoffnung basieren, sondern auf Fakten. Die waren nicht gegeben und es ging nicht gut aus." Es sei ein hohes Maß an Verantwortungslosigkeit erkennbar. Das äußere Tatgeschehen zeige, es ging nur um das eigene Ziel, zu überholen. Vor Gericht habe sich P. auch nicht zu ihrem Fahrverhalten geäußert. Sie habe nach dem Unfall weiter am Straßenverkehr teilgenommen. Trotz eines spontanen Rennens wurde dieses kontrolliert durchgeführt und beide hatten Ortskenntnisse. "Das Auto wurde zum Tatwerkzeug, auch und gerade weil sie es nicht unter Kontrolle hatte", so die Staatsanwältin weiter. Die Ausdehnung des Ausgangs des Rennens hätte sie nicht in der Hand gehabt. Niedere Beweggründe seien damit erfüllt: "Das Rennen war wichtiger als das Leben anderer." Damit seien Mordmerkmale erfüllt - und auch die der gefährlichen Körperverletzung.
S. habe sich mit einem tödlichen Ausgang des Rennens durch P. abgefunden
Der Angeklagte S. habe das Rennen eingeräumt, er ist nicht der unmittelbare Täter, aber Teilnehmer des Rennens. Mord scheide bei S. aus, da die Gefahr von P. auf der Gegenspur ausging. S. habe zwar die rechte Fahrspur belegt, aber P. bremste nicht. Daher sei S. nur der Beihilfe des Mordes schuldig. Hätte S. vor der Kurve gebremst, hätte P. einscheren können. S. ging es aber auch darum, das Rennen zu gewinnen. Er habe damit zu der gefährlichen Situation beigetragen. Er musste mit einer Kollision mit dem Gegenverkehr oder mit P. rechnen. Es bleibe unklar, warum er darauf vertraute, dass P. bremsen würde. Es müsse ihm bewusst gewesen sein, dass ein Ausweichmanöver mit Gegenverkehr schlimme Folgen haben könnte. S. habe sich mit einem tödlichen Ausgang durch P. abgefunden und dennoch das Rennen weitergeführt. Damit seien niedere Beweggründe und damit Beihilfe zum Mord gegeben.
Staatsanwaltschaft beantragt lebenslange Haft für Ewa P.
Für P. fordert die Staatsanwaltschaft lebenslange Haft, da zweifacher Mord als Tat gegeben sei, hinzu kämen sechsfacher versuchter Mord und ein Rennen mit Todesfolge. Auch das Nach-Tatverhalten zeige verantwortungsloses Handeln. Vor dem Ablauf von fünf Jahren darf eine Fahrerlaubnis nicht wieder erteilt werden. Es läge ein schwerster Fall von Fehlverhalten im Verkehr vor.
Für den Angeklagten S. gelte das Verschlechterungsgebot beim Strafmaß, da die Staatsanwaltschaft gegen sein Urteil die Revision zurückgezogen hatte. Wegen zweifacher Beihilfe zum Mord und sechsfacher Beihilfe zum versuchten Mord und einem Rennen mit Todesfolge bleiben die geforderten vier Jahre Haft aufrechterhalten.
Anwalt der Eltern fordert "ein Gefühl von Gerechtigkeit"
Der Anwalt der Eltern hält nur ein kurzes Plädoyer. Das Leben anderer Menschen müsse einen Wert haben, das sollte das Urteil zeigen. Auch wenn es den Eltern die Kinder nicht wieder bringt, sollte ihnen ein Gefühl von Gerechtigkeit gegeben werden.
Verteidigung Ewa P.: Reichen 12 Sekunden für Vorsatz?
Der Prozess müsse sich in juristischen Feinheiten verstricken, da der BGH ein neues Urteil einfordert. In dieser Juristerei gehe die Menschlichkeit manchmal verloren, gerade wenn viele die Höchststrafe fordern und Gerechtigkeit wollen. "Es wird nur über Frau P. gesprochen, kaum über die Kinder. Doch der BGH verlangt es so, da die Frage des Vorsatzes hier Dreh- und Angelpunkt ist." Vorsatz setze das Wissen und Wollen voraus. Unjuristisch gesagt, habe der BGH kritisiert, dass Charaktereigenschaften nicht berücksichtigt wurden. Man müsse für ein Urteil das Tatgeschehen genau anschauen: "Das Ereignis hat nur ca. 12 Sekunden gedauert, um auf den 700 Metern zu beschleunigen." Yana Tchelpanova stoppte die Zeit, während Silke Willig weiterredete, um die Dauer von 12 Sekunden begreifbar zu machen. Sie wollten aufzeigen, wie schnell die Zeit vergehe und ob P. in dieser Zeit einen Vorsatz bilden konnte. (Anm. d. Red.: In 12 Sekunden können 600 Meter mit einer Geschwindigkeit von durchgehend bzw. im Mittel 180 km/h zurückgelegt werden). Der Berliner Raserprozess werde als Vergleich herangezogen. Dort hätte der Täter diverse Ampeln überfahren, über mehrere Kilometer hinweg. Es gäbe mittlerweile vieler dieser Fälle: "Was haben wir hier für einen Fall? Der stellt sich doch ganz anders dar. In allen Fällen haben immer alle weiter draufgehalten. Frau P. ist ausgewichen und zurück auf die eigene Spur und kam dabei ins Schleudern. Als Verteidigung müssen wir die Fakten beleuchten, die entlastend sind", so Willig weiter. Yana Tchelpanova führte weiter aus: Wenn man einen Sachverhalt immer wieder analysiere, entferne man sich weiter von der Lebenswirklichkeit: "Paralyse durch Analyse." Daher hätten alle versucht, herauszufinden, was die Täter gedacht hätten. Das habe der BGH auch bemängelt, so Willig. Zwölf Sekunden dauerte laut Tchelpanova der Überholvorgang, von denen nur die letzten fünf Sekunden ausschlaggebend seien. P. habe keinen Wettkampf gesucht. Es habe mit einem Überholvorgang begonnen, dann wurde P. in eine Situation gezwungen, in die sie nicht wollte. Das Schleudern sei durch das Ausweichmanöver verursacht worden, sie kollidierte mit wenigen Fahrzeugen: "Kann man dies in wenigen Sekunden unter Angst erfassen?", fragte Yana Tchelpanova. P. habe nicht draufgehalten, sondern sei ausgewichen. "Nüchtern betrachtet steht dies einer Tötungsabsicht entgegen." P. dachte laut Verteidigung bis zum Schluss, dass sie die Situation beherrsche. "Und es kam ja auch zu keiner direkten Kollision - erst durch das Schleudern."
Keiner habe positiven Aspekte berücksichtigt bei der Frage, ob P. den Tod der Kinder in Kauf nahm
Die Verteidigung kritisiert erneut die psychologischen Gutachten als nicht aussagekräftig (wir haben berichtet). Silke Willig: "Wer war Ewa P. vor dem Unfall? War sie gleichgültig und emotionslos?" Der Prozess habe kein vollständiges Puzzlebild ergeben, aber viele einzelne Teile durch Zeugen kennengelernt - ganz ohne die Gutachter. Kollegen sagten sie sei eine Raserin, auch wenn der Bruder das nicht bestätige, aber die Familie sei schwierig und P. war gestresst, habe immer Vollgas gegeben - sie habe alles für die Arbeit gegeben. Das zeige ein positives Bild von P. Dieses dürfe das Gericht nicht vernachlässigen. P. sei hilfsbereit gewesen, sei aufgrund der Verbrennungen in der Schule gehänselt worden, habe ihre kranke Mutter gepflegt - das zeige eine große Empathie. Der Gutachter habe ihr negativ ausgelegt, dass sie erst um 16 Uhr Mittagessen gekocht habe, bei einer alleinerziehenden arbeitenden Mutter: "Ist unvorstellbar." (Anm. d. Red.: Der Gutachter hat darauf hingewiesen, dass das in der überwiegenden Gesellschaft keine übliche Zeit für Mittagessen sei und es fraglich sei, ob die Mutter einer 14-Jährigen sich wegen des Essen Kochens so eilen müsse. Im Übrigen ereignete sich der Unfall um 16.30 Uhr). Der Vater der Kinder habe Geschenke ohne sonstige Unterstützung gebracht. P. habe Nachtschichten absolviert, um die Familie zu ernähren. Die Gutachter legten auch diese Nachtschichten laut Willig als kaltherzig aus. P. nahm auch ihre älteste Tochter mit Kind und deren Freund bei sich auf, das zeige eine sehr großherzige Frau. Die heutige Zeugin, eine Psychologin aus der Justizvollzugsanstalt, habe diese Zuverlässigkeit von P. bestätigt und auch, dass sie Erste Hilfe geleistet habe, als eine Mitinsassin kollabierte. "Keiner hat diese positiven Aspekte berücksichtigt bei der Frage, ob P. den Tod der Kinder billigend in Kauf nahm. Auch den Wunsch, sich das Leben zu nehmen, haben die Gutachter nicht groß beachtet. Erst die heutige Zeugin erklärte, wie belastet P. durch die Tat ist."
Verteidigung P.: "Jeder von uns hat schon einmal eine schwierige Situation im Straßenverkehr erlebt und musste reagieren."
Ewa P. habe nie Marco S. die Schuld gegeben, sondern von Anfang an nur gefragt "Was habe ich getan?", führt Silke Willig aus. "P. trägt eine Schuld und muss bestraft werden, aber sie ist nicht empathielos und der Vorsatz fällt daher weg." Nach den Gutachten zieht die Verteidigung auch die Bewertung des Nach-Tatverhaltens in Zweifel: dieses sei unklar, da vieles Hörensagen sei und keiner der Zeugen P. wirklich am Steuer gesehen habe. P. habe nie einen Unfall gehabt, sondern immer gute Erfahrungen mit ihrem Fahrkönnen gemacht, weshalb die Einschätzung wuchs, dass sie eine gute Fahrerin sei. Yana Tchelpanova beschrieb P. als sehr dynamische Fahrerin, die ihr Können wohl überschätzt habe: "Jeder von uns hat schon einmal eine schwierige Situation im Straßenverkehr oder im Verkehr erlebt und musste reagieren. P. hat falsch reagiert. Da müssen wir uns alle ehrlich machen." Die Verteidigung bat das Gericht darum, nicht stumpf juristisch an die Entscheidung heranzugehen, sondern auch die Menschlichkeit zu berücksichtigen.
Verteidigung P. plädiert auf 3 bis 15 Jahre Haft
Eine Verurteilung zu lebenslanger Haft sei laut Yana Tchelpanova nicht angebracht. Ewa P. sei eine Mutter, deren Leben aus Arbeiten und Familie bestand. Sie war auf Weg nach Hause, alles war wie gewohnt. Sogar bis zum Überholvorgang war alles normal, bei dem sie dann in eine ungewohnte Situation geriet, in der sie sich nicht befinden wollte. "Und nun soll sie in wenigen Sekunden zur Mörderin geworden sein?" Beide seien gleich Schuld am Geschehen, aber nur P. soll hart bestraft werden, das sei eine große Ungleichheit. Die Strafrahmenverschiebung müsse berücksichtigt werden, die Strafe im Rahmen zwischen 3 und 15 Jahren liegen. Das Gericht möge die vorangegangene Strafe in Betracht ziehen, sonst werde man keinen konkreten Vorschlag machen.
Marco S. räumt das Rennen ein - er habe sich dazu von P. provozieren lassen
Die Verteidigung des Marco S. ging noch einmal auf die Einlassung aus der kommenden Woche ein, in der sich der Angeklagte einsichtig gezeigt und das Rennen eingeräumt habe. Er habe sich dazu von P. provozieren lassen. Es sei nicht so lebensfremd, wenn man als Fahrer auf der richtigen Spur sei, dass man darauf vertraut, dass das Fahrzeug auf der Gegenspur sich zurückfallen lasse. Der Angeklagte Marco S. sei immer unauffällig im Straßenverkehr gewesen und befand sich in einer unbekannten Situation. Beihilfe zum Mord sei absurd. S. habe den Unfall nicht verursacht, die Tötung könne ihm daher nicht angelastet werden, so die Verteidigung. Auch die Beihilfe sei nicht tragbar, es fehle am Vorsatz. Hinter S. und P. war die Straße frei - Marco S. habe die Fahrbahn nicht versperrt. Im Übrigen habe er sich bei der Familie der getöteten Kinder entschuldigt.
Verteidigung: Von Marco S. ging keine Gefahr aus - 2 Jahre auf Bewährung gefordert
Der zweite Verteidiger erklärte, schicksalsbedingt hätten sich die Wege von den untereinander unbekannten Tätern und Opfern am besagten Tag überschnitten. Oft sei in der Beweisaufnahme nur P. im Fokus gewesen, das zeige auch der heutige Tag, an dem nur Zeugen zu P. anwesend waren. Trotzdem sei S. in erster Instanz fast so hart wie P. bestraft worden. Marco S. habe sein Fehlverhalten eingeräumt. S. wollte niemanden töten oder verletzen. Sein Mandant habe nie an einem Rennen teilgenommen. Auch am besagten Tag habe er diesen Vorsatz nicht gehabt. Fahrweise sei nichts zu beanstanden gewesen, so der Anwalt. Erst am Kirchdorfer Rehr überschritt er die Geschwindigkeit - auch, da vor ihm kein Fahrzeug war. Es bestand demnach keine Gefahr. Da S. schon zu schnell war, konnte er nicht davon ausgehen, dass noch jemand bei Begrenzung 70 überholen würde, so der Anwalt weiter. Marco S. kannte Ewa P. nicht, hatte nicht das Wissen der Arbeitskollegen, die am heutigen Tage noch einmal gehört wurden. Er nahm Gegenverkehr wahr und bremste - ohne Kollision. Marco S. sei rechtlich nie in Erscheinung getreten und habe nie risikobelastetes Verhalten gezeigt. Er sei nicht in den Unfall verwickelt gewesen, von ihm ging keine Gefahr aus. Daher seien die Vorwürfe nicht haltbar. Für Fehlentscheidungen von Ewa P. könne Marco S. nicht verantwortlich gemacht werden. Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sei angemessen, wenn diese zur Bewährung ausgesetzt werde. Alleine die Anklage habe schon Wirkung gezeigt. Marco S. bereue seine Tat und habe sich bei den Eltern entschuldigt. Seine berufliche Existenz habe er verloren. Laut Verteidigung müsse man differenzieren und könne S. nur das Rennen anlasten - daher zwei Jahre Haft zur Bewährung.
Die berühmten letzten Worte
Die Angeklagten haben die Möglichkeit, letzte Worte vor dem Urteil zu sprechen.
Ewa P. entschuldigt sich bei dem alleine anwesenden Vater, die Mutter hat te das Gericht mittags verlassen. Eva P. erklärt, sie wollte es nicht. Sie weint.
Marco S. liest eine Erklärung vom Papier ab, richtet seine Worte an die Familie der toten Kinder. Er entschuldigt sich bei der Familie und bei allen Unfallopfern. Er wird mit dieser Last leben müssen. Er bittet die Kammer um eine zweite Chance für sich - auch wenn die Opfer seine Entschuldigung nicht annehmen werden.
Die Verhandlung ist unterbrochen, gegen 18.15 Uhr wird das Urteil verkündet.