Hannover/Egestorf. Heute beginnt der Revisionsprozess zu dem tödlichen Unfall am Kirchdorfer Rehe. Am 17. April 2023 wurde vom Landgericht Hannover das Urteil in erster Instanz gesprochen. Die Angeklagten Ewa P. (41) und Marco S. (41) hatten mehrjährige Freiheitsstrafen erhalten und genau wie die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt. Bei dem Unfall am 25. Februar 2022 starben zwei kleine Kinder (2, 6) – die Mordanklage der Staatsanwaltschaft bestätigte das Landgericht damals nicht. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hatte das Urteil dann teilweise aufgehoben, nun geht es wieder vor das Landgericht Hannover - allerdings vor eine andere Kammer..
Das Landgericht hatte beide Angeklagten des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger Körperverletzung in drei rechtlich zusammentreffenden Fällen schuldig gesprochen. Es hat die Angeklagte P. zu einer Freiheitsstrafe von sechs und den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 29. Februar 2024 das Urteil der ersten Instanz - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen und der Rennabrede - aufgehoben. Damit geht es in dem aktuellen Prozess nicht mehr darum, ob die Rahmenebdigungen so stattgefunden haben, sondern darum, aus welcher Motivation der Unfall entstanden ist. „Den Angeklagten wird vorgeworfen, in Folge eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens durch einen Zusammenstoß mit einem entgegenkommenden Fahrzeug zwei sich darin befindliche Kinder ermordet zu haben“, heißt es vom Landgericht. Ein Sprecher des Landgerichts teilte nun mit, dass für die Verhandlung wegen Mordes drei Termine angesetzt worden sind. Eine Entscheidung wird für den 24. Juli 2024 erwartet.
Der erste Prozesstag ist abgeschlossen
Zu Beginn der Verhandlung wurde der Sachverhalt noch einmal dargestellt. Die vorsitzende Richterin der 2. Strafkammer als Schwurgericht, Britta Schlingmann, erläuterte den Verlauf des Unfalls und, dass weder darüber noch über die Verabredung zum Autorennen Zweifel bestünden - der Bundesgerichtshof hat das sogenannte äußere Tatgeschehen nicht zur Revision zugelassen. Richterin Schlingmann stellte fest: "Was geschehen ist, steht fest. Im Revisionsprozess geht es darum, was ging subjektiv in den Köpfen der Angeklagten vor? Und welche Folgen ziehen wir daraus das für die Verhandlung und das Urteil?" Später teilte sie mit: "Ich gebe folgenden rechtlichen Hinweis: Es kommt für beide Angeklagten eine Verurteilung wegen Mordes in zwei Fällen, wegen versuchten Mordes in sechs Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen in Frage - und das Veranstalten eines KfZ-Rennens mit Todesfolge." Die Mordmerkmale seien Heimtücke und niedere Beweggründe.
Die Angeklagte P. ließ ihre Anwält sich in ihrem Namen an die Eltern wenden: "Es geht Ihnen als Eltern um Gerechtigkeit, aber es kann keine gerechte Strafe geben. Es tut Frau P. unendlich leid, aber Sie werden keine Gerechtigkeit bekommen, aber hoffentlich finden Sie zur Ruhe." Nach dem Verlesen wandte sich P. auch persönlich noch einmal unter Tränen an die Eltern: "Es tut mir unendlich leid". Daraufhin stand der Vater der beiden toten Kinder auf: "Es gibt mir nichts, dass es Ihnen leid tut, bringen Sie meine Kinder wieder auf die Beine!"
Die Angeklagte ließ noch einmal ausführlich erklären: Sie hätte die Situation für beherrschbar gehalten, sie habe schon öfter Autos überholt und es wäre noch nie zu einem Unfall gekommen. Sie hätte seit dem Unfall im Februar 2022 suizidale Gedanken. Sie habe das verstorbene zweijährige Kind noch am Unfallort gesehen und das habe sie bis ins Mark getroffen. Sie wolle lieber sterben als Leben. Der Tod der Kinder wäre ihr keinesfalls gleichgültig. Sie habe selber drei Kinder und ein Enkelkind.
Der Angeklagte S. ließ durch seine Verteidigung berichten, dass es ihm unendlich Leid täte, bei den Eltern möchte er sich für sein Verhalten entschuldigen: "Ich trage eine Mitschuld am Tod der Kinder." Im Juni 2024 hat die Verteidigung des S. den Eltern der toten Kinder Schmerzensgeld angeboten: "Kein Geld der Welt bringt die Kinder zurück", dennoch bot er den Eltern aber monetäre Wiedergutmachung in Höhe von insgersamt 30.000 Euro an.
Schließlich ließ die Richterin noch einmal das Video der Dashcam vom Unfalltag zeigen. Im Saal wurde es dabei still. Als die Kollision zu sehen war, erschraken einige der Zuschauer deutlich hörbar. Die Mutter der beiden verstorbenen Jungs hatte schon vor Beginn der Aufzeichnung den Saal verlassen.
Am morgigen Freitag werden noch einmal Gutachter und Psychologen zu Wort kommen. Die Richterin forderte die Anwälte und die Staatsanwaltschaft dazu auf, auch bereits morgen die Plädoyers zu halten. Das Urteil wird am Mittwoch gefällt.