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Blick hinter die Kulissen - Der Unfall „Kirchdorfer Rehr" ist für uns kein normaler Unfall

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-In eigener Sache- Der schwere Verkehrsunfall am 25. Februar 2022 mit zwei verstorbenen Kindern am Kirchdorfer Rehr, hat bundesweit für Aufsehen gesorgt. Gerade auch, weil schnell ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen zwischen zwei hochmotorisierten Fahrzeugen vermutet wurde. Mittlerweile hat der Prozess vor dem Landgericht Hannover begonnen und sorgt regelmäßig für weitere unfassbare Details. Unsere Redaktion berichtet mit großem Aufwand seit dem Unfalltag über den Fall. Jüngst erreichten uns mehrere Nachfragen, wie unsere Arbeit funktioniert und wie wir so schnell aus dem Gericht berichten können. Wir haben uns entschlossen, einen kleinen Einblick in unseren Redaktionsalltag zu geben – und damit „hinter die Kulissen“.

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Über uns: Die herausgebende cevendo GmbH ist nur ein kleiner Betrieb mit derzeit weniger als 10 Mitarbeitern. Wir sind vollkommen unabhängig in der Auswahl unserer Themen und der Auswahl an Presseterminen. Aufgrund des kleinen Teams müssen wir immer sehr genau schauen, wie wir unsere Arbeitszeit zielführend einsetzen, um für die Leser interessante, und informative Berichte zu erstellen. In einem zwölf Kommunen umfassenden Berichtsgebiet spielen auch Fahrtwege eine Rolle. Dies kommt für uns auch beim aktuellen Prozess zum Tragen. 

Dieser Unfall war anders 

Begonnen hat für die Redaktion alles mit den Alarmierungen zum Unfall am besagten Freitag. Sowohl die Polizei Hannover informierte am Nachmittag über einen schweren Unfall mit vielen Verletzten, als auch der Pressesprecher der Barsinghäuser Feuerwehr. Gedanklich schon im Wochenende, hieß es für mich, Matthias Schlummer (Chef-Redakteur), dann am Freitagnachmittag, schnell die Unfallstelle anzufahren. Schon vor Ort war am Gesichtsausdruck einer jungen Polizistin zu erkennen, dass dies kein „gewöhnlicher“ Unfall war. Wir als Presse hielten uns wie immer entsprechend zurück, während die Einsatzkräfte ihre Arbeit machten. Erst später durften Bilder gemacht werden und Informationen standen bereit. Unter einer Decke lag eines der Kinder, dass noch am Unfallort verstarb. Als Familienvater musste man hier erst einmal funktionieren, um den Job zu machen. Insgesamt war das Trümmerfeld und der Gesamteindruck ungewöhnlich, normalerweise ziehen sich die Unfallstellen nicht räumlich so weit und verursachen so viele heftige Eindrücke. Vor Ort sah ich Feuerwehrleute, die ich von vielen Unfällen kenne, die ich aber noch nie SO gesehen habe. Auch ich hier vor Ort und die Kollegen am Telefon kämpften mit sich. Es bedrückt immer, wenn unschuldige Kinder zu Opfern werden.  

Die Bilder, die wir vom Unfall veröffentlicht haben, sind bekannt. Wir entschieden uns schnell gegen eine Veröffentlichung der Bilder des Familienwagens. Anhand der Umstände erschien uns dies als nicht angemessen. Bis heute verwenden wir nur Bilder des völlig zerstörten Audi A6, dem Wagen der Angeklagten E.P., oder einem Bild mit Kuscheltieren, die später am Unfallort abgelegt wurden. Auch für uns sind solch schwere Unfälle nicht alltäglich. Da auch viele von uns (kleine) Kinder haben, hielten wir nach dem Gesehenen stets Rücksprache im Team, wo wir mit der Berichterstattung enden. Auch an uns gehen diese Bilder nicht spurlos vorbei, sie belasten und machen auch wütend. Unsere Professionalität als Berichterstatter gebietet es aber, zwischen den eigenen Emotionen und Gedanken und der objektiven Berichterstattung zu differenzieren. Das ist oft nicht einfach, aber in diesem Fall war es besonders schwer.

Täglich grüßt die Staatsanwaltschaft 

Nach der Berichterstattung über den Unfall mit den beiden toten Kindern und den Erkenntnissen des Verkehrsunfalldienstes wurde es für uns ruhig. Wir wurden oft und immer wieder gefragt, ob wir etwas Neues bekommen hätten. Aber dem war nicht so. Wir bekommen keine Zwischenstände oder Endergebnisse automatisch – weder zum Gesundheitszustand noch zu den Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft Hannover übernahm die Ermittlungen, was für uns bedeutet, regelmäßig nachzufragen, ob es neue Erkenntnisse gibt. Oft ein Bemühen ohne Ergebnisse, da gerade die Gutachten Monate in Anspruch nahmen. Es verging knapp ein Jahr, in dem der Unfall einen nicht losließ, wöchentlich bei der Staatsanwaltschaft nachgefragt wurde, bis es zur Anklage und zum Prozessbeginn am 24. Februar kam. Das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit ist wichtig, deswegen ist es auch verständlich, dass die Staatsanwaltschaft in alle Richtungen ermittelt und untersuchen lässt. Dass das Zeit dauert, ist ärgerlich, aber für ein ordentliches Verfahren wahrscheinlich notwendig.

Keine Extrawurst vor Gericht 

Vom Zeitaufwand und der Logistik her, spricht unsere Belegschaftsstärke gegen den Besuch eines Gerichtstermins in Hannover, geschweige denn eines Prozesses mit mehreren Gerichtstagen. Der längste Prozesstag zum Kirchdorfer Rehr war am 7. März und ging von 9 bis 16 Uhr. Sieben Stunden, in denen die Redaktion und die zwölf Kommunen nur im Notbetrieb geführt werden können. Wir entschieden uns im Team jedoch dazu, diesen Aufwand zu betreiben und alle uns zur Verfügung stehenden Kräfte darauf auszurichten, den Prozess komplett zu begleiten. Ich fahre seitdem zum Gericht, unser Geschäftsführer und eine Bürokraft halten den Betrieb aufrecht, so dass keine wichtige Nachricht liegen bleibt oder untergeht. Andere Aufgaben müssen warten.

Für die Pressevertreter gibt es im Gerichtssaal reservierte Plätze, mehr „Annehmlichkeiten“ gibt es nicht. Auch wir sitzen im Publikum, haben keinerlei Unterlagen, oder mehr Informationen als jeder Zuhörer. Da heißt es gut zuhören und alles Wichtige mitzuschreiben. Was ist für den Fall relevant? Was ist für die Leser interessant? Welche Eindrücke gibt es aus dem Gerichtssaal, die für Außenstehende aufschlussreich sind? Mitunter ist es nicht leicht, dem Richter, Anwälten und der Staatsanwaltschaft zu folgen, wenn diese aus ihnen vorliegenden Berichten und Gutachten vorlesen. Wir sind keine Juristen. Daher Fragen wir in Prozesspausen nach, oder besprechen uns mit einem der Anwälte.

Ohne Teamwork geht es nicht

Die weiteren Pausen des Gerichts nutzen wir dann, um telefonisch die wichtigsten Erkenntnisse an die Redaktion zu geben. Erst wird dort schnell mitgeschrieben, dann der Text formuliert. Der Text kommt zur Abnahme zurück auf mein Handy, während ich noch im Gericht bin. Stimmt alles, kann der Text online gehen und wird freigegeben, während der Prozess noch läuft. Da es viele Informationen und Zeugenaussagen gibt, habe auch ich nachmittags/abends noch einen Text verfasst, um in voller Gänze über den Prozess zu berichten.

Standen am ersten Prozesstag noch diverse Kamerateams und Fotografen im Saal, sind mittlerweile außer uns kaum noch Pressevertreter dabei. Am intensivsten war die FAZ noch an Bord, gelegentlich sehe ich Kollegen von Madsack oder BILD. Spätestens zur Urteilsverkündung wird der Saal wieder voll sein. Der Zuschauerraum war vom ersten Tag an gut gefüllt und ist es auch bis heute. Die Nachfragen zum Prozess in unserer Redaktion zeigen auch, dass das Interesse der Menschen an diesem traurigen Fall hoch ist. Und natürlich werten wir seit Jahren unsere Zugriffszahlen aus, um festzustellen, welche Themen bei unseren Lesern ankommen.

Wie weit wollen wir gehen? 

Um professionell und sachlich über den Fall zu berichten, reflektieren wir uns stets selbst. Wie detailliert wollen wir über Verletzungen der verstorbenen Kinder berichten, wenn die Eltern weinend vor mir im Gerichtssaal sitzen? Welche Bilder verwenden wir? Gehört das Dashcam-Video an die Öffentlichkeit? Wie gehen wir mit den Persönlichkeitsrechten der Angeklagten um? Wie gesagt,: auch wir haben zum Teil kleine Kinder, eine Meinung, doch wollen wir als Nachrichtenplattform keine „Hexenjagd“ befeuern. Die Angeklagten sind so lange „unschuldig“, bis ein Urteil vom Landgericht Hannover gefällt wurde. Auch sie haben Kinder und Lebenspartner, Familie und Freunde. All diese Fragen und Gedanken wägen wir im gesamten Team ab, im Freundeskreis. Wir fragen Fachleute, lassen uns juristisch beraten. Am Ende steht die Berichterstattung, die wir derzeit zur Verfügung stellen. Wir freuen uns über das eine oder andere Lob für unsere Arbeit. Es ist unser Job, professionell mit Nachrichten umzugehen. Aber leicht fällt das nicht immer.  

Wir haben größten Respekt vor der Arbeit unseres Rechtsstaates, vor Richtern, Staatsanwälten und Anwälten, vor Polizisten im Streifendienst wie beim Verkehrsunfalldienst oder jeder anderen Abteilung und auch vor den Justizvollzugsbeamten. Sie alle leisten - wie wir - einen Job, den sie und wir ausgewählt haben, um damit den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren – und natürlich auch Freude an der Arbeit zu haben. Aber es gibt eine Gruppe, vor der wir – auch und gerade bei und nach diesem Unfall – unseren Hut ziehen und keine angemessenen Worte des Danks finden. Und das ist unsere Feuerwehr. Unsere Ehrenamtlichen. Unsere Freunde, Nachbarn, Familienangehörigen. Die einen anderen Job zum Geld verdienen haben und ehrenamtlich in brennende Häuser laufen oder Menschen aus Fahrzeugen retten.

Landgericht im Doppelpack

In dieser Woche wird es für uns wieder anstrengend, für Sie als Leser vermeintlich noch spannender. Denn nicht nur der Prozess zum Kirchdorfer Rehr geht am Mittwoch und Freitag weiter, auch der Fall zum Doppelmord in Holtensen (Wennigsen) wird am Dienstag und Donnerstag weitergehen und – zumindest geplant – dann auch enden.

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