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Kirchdorfer Rehr: Staatsanwaltschaft klagt Fahrer wegen Mordes und Beihilfe an - Angeklagte streiten das ab

Die Angeklagte E. P. verbirgt ihr Gesicht zu Prozessbeginn hinter einer Akte. Fotografen haben in der Regel vom Gericht nur zu Beginn des Prozesstermins ein Fotografier-Recht vom Gericht zugestanden bekommen. Es obliegt den Angeklagten, sich zu zeigen oder wie hier das Gesicht zu verbergen.

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Barsinghausen / Hannover. Am Landgericht Hannover hat heute morgen der Prozess wegen eines Unfalls in Barsinghausen auf der Straße "Kirchdorfer Rehr" begonnen, in dessen Verlauf und an deren Folgen zwei Kinder (2 und 6 Jahre) starben sowie weitere Personen teilweise schwer verletzt wurden. Die Staatsanwaltschaft hat die beiden Unfallverursacher wegen Mordes und Beihilfe zum Mord angeklagt, da beide nach Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft ein unerlaubtes Straßenrennen mit bis zu 180 km/h durchgeführt haben und es so zu dem Ereignis mit seinen Folgen gekommen sein soll.

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Die Angeklagten sollen am Nachmittag des 25. Februar 2022 gegen 16.10 Uhr in Barsinghausen auf der Straße Kirchdorfer Rehr in Richtung Kirchdorfer Kreisel mit ihren hochmotorisierten Fahrzeugen, ein Audi A6 (Angeklagte E. P.) und ein Cupra Formentor (Angeklagter M. S.), ein Fahrzeugrennen veranstaltet haben und mit circa 180 km/h auf der einspurigen Strecke nebeneinander hergefahren sein. Im Verlauf dieses Rennens soll es zu einem schweren Verkehrsunfall mit entgegenkommenden Fahrzeugen gekommen sein, bei dem mehrere Personen schwer verletzt wurden. Eines der entgegenkommenden Fahrzeuge einer Familie wurde dabei auf einen neben der Fahrbahn liegenden Acker geschleudert. Die auf der Rückbank des Fahrzeugs sitzenden Kinder im Alter von zwei und sechs Jahren verstarben noch am Unfalltag.

Das Autorennen begann laut Anklage bereits in der Innenstadt Barsinghausens. Die Staatsanwaltschaft rekonstruierte den Beginn bereits in der Osterstraße,  von dort fuhren wohl beide Fahrzeuge über die Siegfried-Lehmann-Straße auf die Hannoversche Straße, dann auf die Röntgenstraße und dann auf die Straße Kirchdorfer Rehr. Gegen 16.20 Uhr fuhren sie über den Egestorfer Kreisel in Richtung Kirchdorfer Kreisel. Nach dem Passieren des Egestofer Kreisels überholte die Angeklagte E. P. den M. S.. Auch dieser erhöhte sodann die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs, so dass sich beide auf gleicher Höhe befanden. Jeder von beiden hätte sich jederzeit zurückfallen lassen können, führte die Staatsanwaltschaft schon in der Anklageschrift aus. Nach etwa 500 Metern folgt nach gerader Strecke eine lange Rechtskurve mit einer Steigung mit Kuppe, so dass die Fahrbahnen nicht abschließend einsehbar waren. Beide Angeklagte beschleunigten laut Staatsanwaltschaft weiter auf fast 180 kmh - und fuhren so über diese Kuppe. Der Angeklagten E. P. kam sodann ein Mercedes mit 70 bis 80 kmh entgegen. Sie beschleunigte weiter und wollte sich vor den Wagen des M. S. setzen, um so auf ihre eigentliche Fahrbahn zurückzugelangen. Dies misslang und der A6 kollidierte mit dem Mercedes, geriet in Rotation gegen den Uhrzeigersinn und gelangte so erneut voll auf die Gegenfahrbahn. Dort stieß der A6 mit dem Nissan einer vierköpfigen Familie zusammen, der durch die Wucht auf ein angrenzendes Feld geschleudert wurde. Der A6 schleuderte weiter gegen einen entgegenkommenden Ford. Eine frontale Kollision konnte nur verhindert werden, weil der Ford-Fahrer zum Teil auf den Grünstreifen auswich. Die Staatsanwaltschaft stellte fest, dass die Angeklagte E. P. ortskundig sei, da es sich um ihren täglichen Arbeitsweg handele. Statt 70 kmh seien beide mit fast 180 kmh gefahren. Sie mussten beide laut Staatsanwaltschaft mit einem tödlichen Unfall rechnen aufgrund der Beschaffenheit der Strecke und ihrer Kenntnis der Topografie. Sie nahmen damit den Tod von Menschen billigend in Kauf.

Im vollen Zuschauerraum hörten alle Beteiligten von der Staatsanwältin, dass die beiden Kinder angeschnallt in ordentlichen und angemessenen Sitzen saßen. Der Zweijährige verstarb am Unfallort aufgrund eines Kreislaufschocks und bei vollständiger Durchtrennung der unteren Hohlvene und des Rückenmarks. Der Sechsjährige wurde unter Reanimation in ein Krankenhaus verbracht, wo er am Abend an einem Herz-Kreislauf- und Atemversagen unter Abriss der rechten Wirbelsäulen-Arterie und des gesamten Halsapparats verstarb. Der Angeklagte M. S. blieb bei dem Unfall unverletzt, die Angeklagte E. P. wurde verletzt mit einem Rettungswagen in ein Krankenhaus gebracht. Die weiteren Verletzten waren bis zu einer Woche mit teils schweren Verletzungen wie Polytraumata in Krankenhäusern. Die Staatsanwaltschaft sieht beide Angeklagte als zum Führen von Fahrzeugen ungeeignet.

Der Angeklagten E. P. (40) wird Mord mittels gemeingefährlicher Mittel sowie gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und Gefährdung des Straßenverkehrs vorgeworfen. Dem Angeklagten M. S. (40) wird vorgeworfen, zu dieser Tat - Mord und Körperverletzung - Beihilfe geleistet zu haben. Auch ihm wird tateinheitlich die Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge und Gefährdung des Straßenverkehrs vorgeworfen.

Bei der Verlesung der Anklageschrift weinten beide Angeklagten. Die Angeklagte E. P. ist verheiratet und mehrfache Mutter. Sie wurde am 15. September 2022 in Polen verhaftet und am 5. Oktober 2022 in die Justizvollzugsanstalt in Hildesheim gebracht, wo sie seitdem in Untersuchungshaft ist. Beide Angeklagte befinden sich in psychiatrischer Behandlung.  Die Angeklagte E. P. ließ sich persönlich zur Sache ein und betonte, sie wäre lieber selber gestorben als die beiden Kinder. Sie kannte den Angeklagten M. S. nicht und es habe auch keine Absprachen im Vorfeld oder während der Fahrt zu einem Rennen gegeben. Der Angeklagte M. S. drückte in einer von seinen Anwälten verlesenen Erklärung ebenfalls sein Mitgefühl aus. Nach seiner Darstellung wurde er zum Ersthelfer, konkret half er der Mutter der beiden verstorbenen Kinder, beruhigte sie, während sie im Auto eingeklemmt war. Der Vater der Kinder war bewusstlos. Mit weiteren Helfern versuchte er dann, die  Kinder zu befreien. Durch die eigenen oder von den Anwälten vorgetragenen Einlassungen wurde deutlich, dass die Angeklagten die Vorwürfe der Anklageschrift bestreiten. Alle Sachverhalte müssten nun durch Zeugen und Sachverständige aufgearbeitet werden. Daran wollen sich die Angeklagten beteiligen. 

Inzwischen werden erste Zeugen vernommen. Für den Prozess sind zehn Sitzungstermine bis Ende März angesetzt. Als Vorsitzender der verhandelnden 13. großen Strafkammer als Schwurgericht am Landgericht Hannover fungiert Dr. Grote, als beisitzende treten Richterinnen Pfeiffer und Leukel auf. Zusätzlich sind zwei Schöffen Teil der Kammer.

Am Ende bleibt die Frage: War es menschliches Versagen oder ein Autorennen, das den Tod von Menschen billigend in Kauf nahm?
Eines ist aber von Beginn an klar: Die Angeklagten sind so lange unschuldig, bis die Sachverhalte aufgearbeitet sind und ein Urteil gesprochen wurde.

Der Prozess läuft heute noch weiter.