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Kirchdorfer Rehr: Mord - lebenslange Haft, aber Revision möglich

Vorsitzende Richterin Britta Schlingmann (Mitte), Richterin Osterloh (links), Richter Lamer (rechts)

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Hannover/Egestorf. Der Revisionsprozess zu dem tödlichen Unfall am Kirchdorfer Rehr ist beendet. Die Angeklagten Ewa P. (42) und Marco S. (41) werden wegen zweifachen Mordes und sechsfachen versuchten Mordes verurteilt.

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Das Gericht verurteilte Ewa P. zu einer lebenslangen Haftstrafe, den Angekagten Marco S. zu vier Jahren Haft.

Überraschend, dass beide wegen Mordes verurteilt wurden, war bei Marco S. bislang immer von Beihilfe ausgegangen worden. Das sah das Gericht offenbar anders.

Das Urteil ist voll revisionsfähig - möglich, dass das nicht die letzte Entscheidung zu diesem Fall gewesen ist.

Die Richterin wandte sich nach der Verkündung des Strafmaßes an die Eltern. Es täte dem Gericht sehr leid, auch dass die Täter stets im Mittelpunkt standen, nicht die Opfer. Entschuldigungen hätten die Eltern gehört, auch wenn es zu spät sei, wie der Vater es sagte, nach der langen Zeit sei das auch nicht viel wert. Beide, Marco S. und Ewa P., seien nebeneinander hergerast, um zu ermitteln, wer schneller ist. Bei 180, oder etwas weniger, sahen in der Kurve nicht den Gegenverkehr. Beide machten die Straße zu. Wissentlich fuhren sie weiter, das ist laut Richterin der entscheidende Zeitpunkt. Beide müssen wissen: wenn jetzt jemand kommt, können wir nichts mehr tun, können die Situation nicht beeinflussen. Die Verteidigung habe erklärte, beide hätten reagiert und es nicht gewollt, es war jedoch zu spät, das zeigten die Folgen: "Das Verhalten hat diese Katastrophe ausgelöst. Zwei Kinder sind gestorben und sechs weitere Personen wurden verletzt", unterstreicht Richterin Britta Schlingmann. Das Gericht habe sich mit der Frage beschäftigt, was in den Köpfen der Täter vorging. Beide nahmen billigend in Kauf, dass bei dem Rennen jemand verletzt wird. Das Vertrauen, dass nichts passieren werde, worauf solle das liegen, fragte die Richterin in den Saal. Beide kannten die Örtlichkeiten, auch welcher Verkehr zu dem Zeitpunkt herrsche. Es gibt keinen Standstreifen, keine Ausweichmöglichkeiten. Beide hatten neuwertige Fahrzeuge mit hohen Sicherheitsstandards, sie haben sich darauf verlassen. Die Situation in der uneinsehbaren Kurve war so klar, dass die Spontanität des Rennens gar nicht zum Tragen kommt, erklärte die Richterin. Es musste schnell klar sein, wie gefährlich die Situation ist. Letztlich komme es auf das Timing an, es hing vom Zufall ab, das Risiko konnte nicht beeinflusst werden: "Dieser Zufall kam leider Gottes dann tatsächlich." 

Worin bestand die Mit-Täterschaft von Marco S.? Es war ein gemeinsamer Tatentschluss, da beide weitergefahren sind und zwar mit hohen Geschwindigkeiten. Entscheidend war für das Gericht, dass sie weitergefahren sind, auch in  der Kurve. Marco S. hat gemerkt, dass Ewa P. weiter fährt. Er konnte nicht davon ausgehen, dass sie langsamer wird, er ist ja nicht sie; sie war schneller als er. Beide haben die Straße für den Gegenverkehr blockiert. Es gab damit keine  Ausweichmöglichkeiten für den Gegenverkehr. Dies sei der Unterschied zum Berliner Raser Fall, da der Ku´damm einsehbar sei, die Straße Kirchdorfer Rehr eben nicht. Die Autos waren gefahrliche Tatmittel. Man ist unkontrolliert in den Gegenverkehr geraten. Verletzte wurden billigend in Kauf genommen. Niedere Beweggründe als Mordmerkmal sind damit klar gegeben. Das Rennen sollte beendet werden - alle Folgen wurden bewusst in Kauf genommen. Auch das Mordmerkmal der Heimtücke sei laut Gericht erfüllt. Besonders die Familie mit ihren zwei Kindern hat sich an diesem Nachmittag keine Gedanken gemacht, was in der Kurve passieren könnte. Ein Angriff dieser Art war nicht denkbar. "Auch wenn es nur 12 Sekunden waren. Jedem Verkehrsteilnehmer muss klar sein, dass man so nicht in eine uneinsehbare Kurve fahren kann", betonte die Vorsitzende.  Beide haben sich des Mordes und des versuchten Mordes schuldig gemacht. Es war ein Autorennen mit Todesfolge und ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. 

Für Mord sieht das Gesetz lebenslang vor, das könne das Gericht nicht beeinflussen. Das Gericht geht nicht davon aus, dass S. oder P. Monster sind, die diese Art von Tat wollten. Es ist der Tatbestand zu bewerten. Egal ob die Tat geplant war, oder spontan geschah. Das Gericht sieht, dass beide Täter schwer getroffen seien von der Tat. "Das ist anzuerkennen, kann bei der Rechtsfindung aber nicht berücksichtigt werden." Nur aus formalen Gründen sei bei S. die Strafe auf vier Jahre "gedeckelt". "Auch das können wir nicht ändern. Es liegt nicht in unserer Hand und führt zu dieser Unwucht."

 Es darf innerhalb von einer Woche Revision eingelegt werden. 

Die Verhandlung ist beendet.

 

 

Das waren die Plädoyers bezogen auf das Strafmaß:

Die Staatsanwaltschaft forderte für Ewa P. lebenslange Haft, da zweifacher Mord als Tat gegeben sei, hinzu kämen sechsfacher versuchter Mord und ein Rennen mit Todesfolge. Für den Angeklagten Marco S. gelte das Verschlechterungsgebot beim Strafmaß, da die Staatsanwaltschaft gegen sein Urteil die Revision zurückgezogen hatte. Wegen zweifacher Beihilfe zum Mord und sechsfacher Beihilfe zum versuchten Mord und einem Rennen mit Todesfolge bleiben die geforderten vier Jahre Haft aufrechterhalten. 

Die Verteidigung von Ewa P. mahnte, die Strafrahmenverschiebung müsse berücksichtigt werden, die Strafe solle im Rahmen zwischen 3 und 15 Jahren liegen. Das Gericht möge die vorangegangene Strafe in Betracht ziehen, sonst werde man keinen konkreten Vorschlag machen.

Für Fehlentscheidungen von Ewa P. könne Marco S. nicht verantwortlich gemacht werden, meint seine Verteidigung. Eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sei angemessen, wenn diese zur Bewährung ausgesetzt werde. 

Die berühmten letzten Worte

Die Angeklagten hatten natürlich die Möglichkeit, letzte Worte vor dem Urteil zu sprechen. Ewa P. entschuldigte sich bei den Eltern und erklärte weinend, sie wollte das nicht. Marco S. las eine Erklärung vom Papier ab, richtet seine Worte an die Familie der toten Kinder. Er entschuldigte sich bei der Familie und bei allen Unfallopfern. Er werde mit dieser Last leben müssen.