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Soldaten des Fliegerhorsts Wunstorf für Hilfeleistung ausgezeichnet

Wunstorf / Region.

Die Bundeswehrsoldaten Marcel Dewitt, Marco Lindenhahn aus Wunstorf und Nico Lüttich aus Bad Frankenhausen wurden mit dem Hans-Dietrich-Genscher-Preis geehrt. Der neunjährige Markus Rud aus Korbach erhielt den Johanniter-Juniorenpreis.

Die Auszeichnungen 2017 haben nicht nur das rettende Handeln gemein, sondern auch das gemeinschaftliche Vorgehen. Die Preisträger haben zusammen Leben gerettet. In beiden Fällen konnten die Ersthelfer durch Verteilung der Aufgaben und durch Interaktion die passende Hilfe leisten bis die professionellen Retter eintrafen.

Die Hans-Dietrich-Genscher-Preisträger

Bei der jetzt ausgezeichneten Rettungstat vom Juni letzten Jahres gab es ein beispielloses gemeinschaftliches Handeln: Die drei Bundeswehrsoldaten Marcel Dewitt, Marco Lindenhahn und Nico Lüttich waren auf der A2 unterwegs und fuhren auf einen Unfall zu, der sich an einem Stauende zugetragen hatte. Sie leisteten Erste Hilfe, löschten Feuer, sprachen mit den Unfallopfern und stiegen in ein brennendes Auto, um der eingeklemmten Annika Lahn (15 Jahre) zu helfen. Dieses Zusammenwirken, die parallelen Handlungen führten zur Überbrückung bis Feuerwehr und Rettungsdienst vor Ort eintrafen. Die ruhige Anwesenheit der Helfer, das Nicht-allein-lassen und das Sprechen mit dem Mädchen zeigen auch auf, dass aktives Helfen und nicht passives Herumstehen um den Unfallort, betroffenen Menschen die Kraft gibt, die Situation zu überstehen – auch im Nachhinein. „Vermeintlich einfache Handlungen können letztlich dazu beitragen, dass ein Mensch die Chance erhält, zu überleben bzw. Hoffnung zu schöpfen und damit mental stabilisiert wird“, unterstrich Thomas Mähnert.
Feldwebel Dewitt und Oberfeldwebel Lindenhahn, Fluggerätemechaniker vom Fliegerhorst Wunstorf, eilten nachdem sie ihr Fahrzeug gestoppt hatten, sofort an den Unfallort. Sie sahen einen aufgelösten Vater Michael Lahn, sprachen beruhigend mit ihm und verschafften sich einen Überblick. Um den verunfallten PKW waren die Überreste des Caravans zu sehen und der LKW, der das Stauende übersehen hatte und ungebremst aufgefahren war. Im PKW, dessen Motorraum angefangen hatte zu brennen, sehen sie das Mädchen. Sie steigen ins Auto ein, sprechen mit ihr, steigen wieder aus, organisieren Feuerlöscher und Erste-Hilfe-Kasten von den herumstehenden LKW-Fahrern. Sie löschen das Feuer, versorgen die Ellenbogenverletzung von Annika und versuchen mit allen Mitteln die Tür aufzuhebeln und Annika aus dem Auto zu bekommen. Währenddessen kommt ein weiterer, für sie fremder Soldat hinzu: Oberstabsgefreiter Nico Lüttich, aktuell beim Panzerbataillon 393 in Bad Frankenhausen/Thüringen stationiert, setzt sich wie selbstverständlich auf die Rückbank des Wagens und bleibt bei dem Mädchen und lenkt sie mit Fragen nach alltäglichen Dingen ab – auch als das Feuer ein zweites Mal aufflackert. Diese ineinandergreifenden Aktionen und die seelische Unterstützung überbrücken die Wartezeit auf die Feuerwehr und den Rettungsdienst, die wegen einer nicht gebildeten Rettungsgasse starke Schwierigkeiten hatten, überhaupt zum Unfallort vorzudringen.

In einem außergewöhnlichen Augenblick ihres Lebens kamen sich hier völlig fremde Menschen ganz nah. „Diese drei jungen Männer haben instinktiv, schnell und beispielhaft reagiert, und damit einer in einem brennenden Auto eingeklemmten Jugendlichen in einer ausweglosen Situation geholfen. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes Lebensretter und haben den Hans-Dietrich-Genscher-Preis, der ihnen für ihr heldenhaftes Handeln verliehen wird, mehr als verdient“, sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius. Der Laudator des diesjährigen Hans-Dietrich-Genscher-Preises betonte weiter: „Noch dramatischer wird dieser Fall dadurch, dass die Feuerwehr das in einem brennenden Auto eingeklemmte Opfer nicht erreichen konnte, weil keine korrekte Rettungsgasse gebildet wurde. Darum müssen wir immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig die Rettungsgasse ist. Die linke Spur links, alle anderen rechts, es ist so einfach. Wer diese einfache Regel nicht beachtet, gefährdet, wie wir an diesem Fall mal wieder sehen, Leben."

Der Johanniter-Juniorenpreisträger 2017

Markus Rud, der damals Neunjährige, hatte einen starken Partner an der Seite. Einen Partner, den das Schicksal sandte: Michael Seebold, Rettungsassistent und Leitstellendisponent in der Zentralen Leitstelle des Landkreises Waldeck-Frankenberg in Korbach. Er geleitete via Telefon den Jungen durch die Reanimation und rettete zusammen mit Markus dem zweijährigen Bruder Rudolf das Leben.

Es war ein ruhiger Septemberabend vor einem Jahr in Korbach. Markus und Rudolf befanden sich in der Obhut von Oma Lydia. Als diese eine Windel für den Jüngsten holte, entwischte der sehr agile Knabe in den Garten. Als Oma und der Bruder ihn suchten, fanden sie ihn im Pool treibend. Sie zogen ihn aus dem Wasser, aber Rudi atmete nicht mehr. Da die Oma als Spätaussiedlerin aus Russland nur ein altes, schwer mundartlich gefärbtes Deutsch spricht, wählte Markus weinend die 112, so wie er es in der Schule gelernt hatte. Am anderen Ende der Leitung war Michael Seebold, zweifacher Familienvater, erfahrener Leitstellenmitarbeiter und Rettungsprofi mit einem Gespür für die besonderen Fälle. Das war das Glück für alle Beteiligten.

Markus berichtet schluchzend, was vorliegt. Michael Seebold weiß in diesem Moment genau, dass er erst einmal das Kind beruhigen muss, damit er dem Kleinen helfen kann. Und dann auf die Seite legen und über den Mund beatmen. Kurz darauf hustet Rudi und beginnt wieder zu atmen. Zu diesem Zeitpunkt trifft auch der Notarzt ein und alles wird gut. Erleichterung auf allen Seiten.

Bei dieser Rettungstat kommen viele Komponenten zum Tragen: Markus tat genau das Richtige und holte unverzüglich Hilfe. Er blieb bei seinem kleinen Bruder und konnte dank der Anweisung von Seebold genau das Passende ausführen. Das Kind handelte trotz der Aufregung, der Angst und der anfänglichen Hilflosigkeit, die er verspürte. „Für mich ist es einfach bewundernswert, dass ein Neunjähriger trotz seiner emotionalen Anspannung so vernünftig und klug handelt“, sagte Sebastian Dietz, Laudator des Johanniter-Juniorenpreises. „Diese Tapferkeit, die Markus an den Tag gelegt hat, und, trotz der fast erdrückenden Verantwortung, die auf seinen jungen Schultern lastete, zuzuhören und das Richtige zu tun, ist phänomenal. Manch Erwachsener hätte damit Schwierigkeiten!“ Der Paralympics-Goldmedaillengewinner von Rio und Para-Weltmeister im Kugelstoßen, der selbst einen schweren Verkehrsunfall hatte, überreichte den Johanniter-Juniorenpreis Markus Rud, der in Begleitung von Markus Seebold die Bühne betrat.

Die Jury sprach sich, obwohl weitere Nominierungen von beeindruckenden Hilfeleistungen junger Menschen vorlagen, für diesen Fall aus, weil das Zusammenwirken von Ersthelfer und Leitstelle hier auch exemplarisch durchgeführt wurde. Die telefonische Reanimation ist zum Beispiel in der Region Hannover in der Rettungsleitstelle bereits eingeführt, dies ist aber nicht überall in Deutschland so. „Dieser Fall von Markus und seinem Bruder belegt, wie wichtig es ist, dass gewisse Notfallregeln – wie das Wählen der 112, das Dabeibleiben, die Beschreibung des Vorfalls – verinnerlicht sind, um dann gemeinsam mit dem Profi die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen“, bestätigte Thomas Mähnert, Mitglied des Bundesvorstands der Johanniter-Unfall-Hilfe. „Das Zusammenspiel von Ersthelfer und Rettungspersonal ist ausschlaggebend.“  

Die Veranstaltung 2017

Beim Festakt im Convention Center auf dem hannoverschen Messegelände begrüßte JUH-Bundesvorstand Thomas Mähnert die Gäste und gibt einen Einblick in die Bedeutung des Preises. „Helfen ist eine wunderbare Geste der Menschlichkeit und der Verantwortung und dies muss anerkannt und gewürdigt werden“, dieses Zitat von Hans-Dietrich Genscher (2009) bildet das Dach der Veranstaltung und gilt auch als Weisung für die Zukunft.

Der Präsident der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V. (vfdb), Dirk Aschenbrenner, berichtete über die schwierige Entscheidungsfindung der Jury. Als Direktor der Feuerwehr Dortmund und damit Fachmann im Rettungswesen lobte er die Güte der Nominierungen, sie seien eigentlich alle preiswürdig.
 
Oberbürgermeister Stefan Schostok sprach das Grußwort für die Landeshauptstadt Hannover und bedankte sich bei den Johannitern für die Ausrichtung des Preises. Auch stellte er den großen Politiker Hans-Dietrich Genscher in den Fokus, der bei einer vergangenen Laudatio von „Heldinnen und Helden der Menschlichkeit“ gesprochen hatte.

Unterstützt wird die Veranstaltung von Partnern und Förderern: Deutsche Messe AG, INTERSCHUTZ, Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V. (vfdb), VW Nutzfahrzeuge, Georg Buro Assecuranz GmbH & Co. KG und Doro Care DACH.

Ludger Abeln führte durchs Programm. Lothar Krist B3 und Tokunbo Akinro sorgten für den musikalischen Rahmen.

Ãœber den Hans-Dietrich-Genscher-Preis und den Johanniter-Juniorenpreis

Der Hans-Dietrich-Genscher-Preis wird unter diesem Namen seit 1997 verliehen und ist mit 2.500 Euro dotiert. Seit 2003 wird der Johanniter-Juniorenpreis vergeben, der mit einem Sachpreis honoriert wird. Beide Auszeichnungen werden nun nicht mehr vom Landesverband Niedersachsen/Bremen, sondern seit diesem Jahr vom Bundesverband der Johanniter-Unfall-Hilfe ausgelobt. Die nächste Verleihung wird im Rahmen der INTERSCHUTZ 2020, der Weltleitmesse für Brand- und Katastrophenschutz, Rettung und Sicherheit, in Hannover stattfinden.