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Landwirte nicht in eine Museumslandwirtschaft treiben

Schulte to Brinke warnt: „Zu hohe Standards belasten im globalen Markt.

Region.

VerlĂ€ssliche Perspektiven vermisst LandvolkprĂ€sident Albert Schulte to Brinke fĂŒr die niedersĂ€chsischen BĂ€uerinnen und Bauern. „Immer hĂ€ufiger fragt sich unsere junge Generation, ob sie sich die Übernahme eines Hofes noch antun will“, verdeutlichte er auf der Mitgliederversammlung des Verbandes vor 200 Delegierten und etwa 60 GĂ€sten in Hannover.

Auf den Höfen wĂŒrden Zukunftsfragen diskutiert, die Politik aber bleibe verlĂ€ssliche Antworten schuldig. Zugleich hĂ€tten sich Landwirte bereits deutlich bewegt und beispielsweise den MineraldĂŒngereinsatz eingeschrĂ€nkt oder TierbestĂ€nde reduziert. „Wenn unsere Tierhalter in ihren StĂ€llen noch mehr Tierwohl möglich machen wollen, erhalten sie aber im Konflikt mit dem Immissionsschutz und aufgrund fehlender rechtlicher Vorgaben keine Baugenehmigung, sie bewegen sich in einem rechtlichen Vakuum“, kritisierte Schulte to Brinke. Hier mĂŒsse die Politik endlich die notwendigen Gesetze beschließen.

Ablehnend Ă€ußerte er sich zu dem geplanten Tierwohl-Label der Bundeslandwirtschaftsministerin. Das Landvolk sieht die freiwillige Teilnahme als nicht zielfĂŒhrend an und möchte neben der verpflichtenden Teilnahme zusĂ€tzlich sowohl Haltung als auch Herkunft verbindlich gekennzeichnet haben. Hier liegt das Landvolk auf einer Linie mit Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast. In der Diskussion zum Tierwohl schließlich dĂŒrfe nicht vergessen werden, dass die Landwirte sich in einem liberalisierten Markt bewegen. „Unsere Landwirte werden in eine Museumslandwirtschaft getrieben, mit hohen Kosten und geringem betriebswirtschaftlichem Erfolg“, verdeutlichte der LandvolkprĂ€sident. FĂŒr regional definierte Standards gebe es in globalen MĂ€rkten keinen Mehrwert. Daran entzĂŒndet sich aktuell Kritik der Landwirte, die sie durch zahlreiche Demonstrationen ausdrĂŒcken.

Auch das sogenannte Agrarpakt der Bundesregierung stand im Mittelpunkt der Proteste. Schulte to Brinke bezeichnete es als gutes Recht der Landwirte, ihre Sorgen gegenĂŒber Politik, Medien und Gesellschaft offensiv zu formulieren. „Die Demonstrationen haben die Probleme der Bauern in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit nach oben gerĂŒckt“, sagte er. Zum Umgang mit Medien appellierte Schulte to Brinke an die Mitglieder sich nicht „weg zu ducken“, sondern auf den Höfen korrekt zu arbeiten: „Dann liefern wir auch keinen Anlass fĂŒr komprimierende Schlagzeilen“. Zu dem parallel zur Mitgliederversammlung des Ver- bandes laufenden GesprĂ€ch der Bundeskanzlerin mit Landwirten in Berlin sagte Schulte to Brinke: „Ich habe den Eindruck, dass sich unsere Landwirte sehr stark bewegt haben und auch weiter bewegen wollen, aber die Politik nimmt von diesen VerĂ€nderungen kaum Notiz. Wenn die Bundeskanzlerin jetzt dazu ein Update bekommt, ist schon viel erreicht.“ Der LandvolkprĂ€sident listete eine Erfolgsbilanz des Verbandes auf und zĂ€hlte dazu die steuerliche GewinnglĂ€ttung, den Erhalt der Grundsteuer in wesentlichen Elementen, Bewegung beim Ausbau der Digitalisierung bis in den Stall und auf den Acker sowie eine Verkleinerung der Kulisse fĂŒr die sogenannten Roten Gebiete in Niedersachsen von zunĂ€chst 60 Prozent der landwirtschaftlichen FlĂ€che auf jetzt 39 Prozent. Hier wird das Landvolk jedoch nachsetzen und hĂ€lt an seiner Kritik zu den Auswahlkriterien fest. Diese sollen auch vor Gericht ĂŒberprĂŒft werden.

Schulte to Brinke schloss seine AusfĂŒhrungen mit der grundsĂ€tzlichen Frage „Welche Land-wirtschaft will die Gesellschaft?“ DarĂŒber mĂŒsse immer wieder neu mit Leidenschaft diskutiert werden. Eine Antwort auf diese Frage sei eng verknĂŒpft mit dem Bekenntnis fĂŒr ein ausreichendes Budget des EU-Agrarhaushaltes. Der LandvolkprĂ€sident zitierte den bisherigen KommissionsprĂ€sidenten Jean Claude Juncker, der die Ausgaben der BĂŒrger fĂŒr die EU in einen Cappuccino-Index umgerechnet hatte: Danach zahlt jeder EU-BĂŒrger 82 Cent am Tag fĂŒr die EU, das heißt zum Preis von einem Cappuccino gibt es drei Tage EU. „Das ist gut angelegtes Geld und kein zu hoher Preis“, sagte Schulte to Brinke. Mit Blick auf die FĂŒlle an Nahrungsmittel in hervorragender QualitĂ€t dĂŒrfen die Landwirte nach seiner Überzeugung daher zu Recht stolz auf ihre Leistungen sein.