Barsinghausen / Region.
Jugendlich, sympathisch, unbekümmert und geerdet. Die beiden jungen Männer, die als „Stargäste“ des 8. Krombacher Jahresempfangs auf der Bühne des Zechensaals im Besucherbergwerk Barsinghausen neben Moderator Christoph „Danno“ Dannowski Platz genommen haben, sind alles andere als abgezockte Profis, könnten vielmehr die netten Nachbarn von nebenan sein. Zum 29. Mal hatte der Niedersächsische Fußballverband geladen und präsentierte seinen Gästen aus Sport, Politik und Wirtschaft mit den Bundesliga-Profis Johannes Eggestein und Henndrik Weydandt die bisher jüngsten Talkgäste bei seiner traditionellen Veranstaltung.
Mit Barsinghausen kehrten beide Fußballer an einen Ort zurück, an dem sie die ersten Highlights ihrer noch jungen Karriere erlebt hatten. Hendrik, der im Kreisligaderby im Team des TSV Groß Munzel gegen Basche United fünf Tore erzielte und gegen viele ehemalige Mitschüler in Reihen des Gegners einen besonderen Triumph feiern konnte. „Barsinghausen bedeutet mir viel. Hier habe ich viele Freunde und mein Abitur gemacht. Ich erinnere mich noch gern an meine Fahrten mit dem 570er Bus aus meinem Dorf Landringhausen in die Stadt.“
Johannes absolvierte 2005 im Stützpunktteam mit der Teilnahme an der Endrunde um den damaligen E.ON-Avacon-Cup in Barsinghausen sein „erstes, richtig großes Turnier. Wir wussten, dass viele Scouts da waren und waren sehr aufgeregt.“ Der guten Leistung tat die Nervosität keinen Abbruch. Johannes „Jojo“ erzielte 20 Tore und gewann mit dem Stützpunkt Barsinghausen die Endrunde.
Ihr sportlicher Werdegang hätte unterschiedlicher kaum sein können. Hier der erst 20-jährige Johannes „Jojo“ Eggestein, der seine ersten fußballerischen Gehversuche in der Region Hannover zunächst beim TSV Schloss Ricklingen und dann beim TSV Havelse unternahm, auch Spieler am DFB-Stützpunkt Barsinhausen wurde. Bereits mit 15 Jahren folgte er seinem Bruder Maximilian in das Jugendinternat des SV Werder Bremen, durchlief alle U-Nationalmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes und gab schließlich am 26. August 2017 – gerade einmal 19-jährig – sein Bundesligadebüt ausgerechnet gegen den FC Bayern München.
Dort der 23-jährige Hendrik Weydandt, der am Tag des Eggestein-Einstandes im Fußball-Oberhaus nicht einmal ahnen konnte, dass er fast genau ein Jahr später ebenfalls Bundesligaspieler sein sollte. Acht Kilometer Luftlinie trennen seinen Heimatverein Sportfreunde Landringhausen vom Eggestein-Klub aus Schloss Ricklingen. Begegnet sind sich die beiden Jung-Profis in ihrer Fußballjugend nie.
„Henne“ trat im Alter von fünf Jahren bei den Sportfreunden Landringhausen ein. Der Barsinghäuser Ortsteilklub unterhielt im Jugendbereich eine Spielgemeinschaft mit dem benachbarten TSV Groß Munzel. In seinem letzten A-Jugendjahr rückte Weydandt in das Kreisligatgeam der Groß Munzeler auf, wurde mit 23 Treffern auf Anhieb Torschützenkönig in der Kreisliga Hannover-Land 3 und machte das fußballerische Aushängeschild Barsinghausens, den Oberligisten 1. FC Germania Egestorf-Langreder, auf sich aufmerksam. Hier war er mit seinen Toren maßgeblich daran beteiligt, dass die Germanen 2016 in die Regionalliga aufstiegen. 2018 folgte der Wechsel ins Regionalligateam von Hannover 96 und die glückliche Fügung wollte es, dass Weydandt in der Saisonvorbereitung mit der ersten Mannschaft der „Roten“ ins Trainingslager nach St. Peter Ording reisen durfte. „Da bin ich an meine Grenzen gekommen“, so Weydandt. Doch der damalige Trainer André Breitenreiter fand offensichtlich Gefallen an dem 1,94 Meter langen Stürmer und setzte ihn in der Ersten zunächst im DFB-Pokalspiel beim Karlsruher SC ein, wo „Henne“ beim 6:0-Erfolg auf Anhieb zweimal traf. Am 25. August folgte dann sein Traum-Bundesligaeinstand im Auftaktspiel der „Roten“ beim SV Werder (1:1). Als Einwechselspieler gerade einmal eine Minute auf dem Spielfeld, gelang Weydandt der Führungstreffer für 96.
Der Beginn einer Karriere, der sich so noch vor einigen Jahren in Groß Munzel nicht abgezeichnet hatte. „Da haben wir nach den Spielen überlegt, was wir am Abend machen, da kam es erst einmal auf den Spaß an und das Umfeld stand im Vordergrund“, erinnert sich Weydandt an seine wenig profihafte Einstellung als Kreisligaspieler. Nach ein-, zweimal Training in der Woche bedeutete sein Wechsel nach Egestorf für ihn schon eine Umstellung, wurde doch nun drei-, viermal wöchentlich trainiert.
Anders Johannes Eggestein. Mit seinem Wechsel ins Bremer Internat stand für ihn früh fest, alles auf die Karte Profifußball zu setzen. „Mein Vorteil war mein Elternhaus, das mich auf meinem Weg sehr unterstützt hat“, erinnert sich „Jojo“ an seine Anfänge in Bremen. Vater Karl Ex-Zweitligaprofi beim TSV Havelse, der ältere Bruder bereits Fußballprofi im Bremen. „Was spielt es für eine Rolle, wenn die ganze Familie balla balla ist?“, möchte Christoph Dannowski wissen. „Das ist sehr hilfreich, weil man immer einen guten Rat erhält, in guten Händen ist“, so Eggestein, der sich mit seinem Bruder schon in jungen Jahren gegenseitig gepusht hat. Unvergessen dann sein erster Bundesligaeinsatz gegen die Bayern. „Das war schon etwas ganz Besonderes, gar keine Frage. Aber noch besonderer war das Debüt, weil es vor den eigenen Fans stattfand.“
Der erste Rückschlag ereilt ihn Anfang 2017 mit einer Verletzung des Syndesmosebandes. „Ich hatte eine gute Phase, war im Training bei der Ersten, da war der Ausfall für den Rest der Saison schon bitter.“ Mit Clemens Fritz, der an der gleichen Verletzung laborierte, absolvierte Eggestein die Reha. „Das war dann geteiltes Leid.“
Von einer Aufwandsentschädigung in Egestorf über 30.000 Euro in der 96-Reserve dürfte Weydandt inzwischen bei einem Profigehalt von 300.000 Euro angekommen sein. Leistet er sich inzwischen auch schon mal eine Löcher-Jeans für 700 Euro, fragt Dannowski nach. „Geld ist sicher wichtig, aber ich bin nicht materialistisch eingestellt. Auf dieser Schiene fahre ich nicht. Es ist schön, sich mal etwas gönnen zu können, aber immer mit Verstand und Herz“, so Weydandt. Für ihn stand außer Frage, trotz Fußball sein Bachelor-Studium in BWL erfolgreich abzuschließen und einmal in die Steuerberatungs-Kanzlei seines Vaters einzusteigen. Seinen bewussten Umgang mit Geld spiegelt auch wider, dass er weiterhin in der hannoverschen Südstadt in einer WG mit zwei Regionalligakumpels lebt und ein Zimmer mit 14 Quadratmetern bewohnt. Leisten könnte er sich allemal mehr, „aber dann könnte ich nicht aus der Tür gehen und meine besten Jungs um mich haben.“ Die Gefahr, dass seine Mitspieler ihn vor Bundesligaspielen zu sehr ablenken, besteht nicht, denn „aus dem Grunde gehen wir ja vor den Spielen mit der Mannschaft ins Hotel.“ Und wie sieht es mit der Arbeitsaufteilung im Männerhaushalt aus? Fürs Kochen sind alle zuständig. „Jeder, der mal Bock hat. Das gilt auch fürs Aufräumen“, so Henne.
Auch Eggestein weiß mit dem Luxus der Profiwelt gut umzugehen. „Ich komme aus einem sehr bodenständigen Elternhaus. Mir wurde in die Wiege gelegt, dass es sehr viele Menschen gibt, denen es viel schlechter geht als uns. Im Fußball-Geschäft geht es teilweise um Summen, die heißen wir alle nicht gut.“
Die Eggestein-Brüder wohnen in unmittelbarer Nachbarschaft, aber getrennt, „weil jeder auch seine Privatsphäre braucht.“ Gemeinsam gekocht wird auch bei Johannes und Maximilian häufig. „Mein Bruder ist der bessere Koch, aber natürlich schnippele ich auch“, sieht „Jojo“ eine gute Arbeitsteilung. „Einen sehr guten Draht“ haben die beiden Brüder zur jüngeren Schwester. „Die ist jetzt mit 17 in einem Alter, wo wir auf sie aufpassen müssen.“ „Danno“ wirft verwundert ein, dass das ja wohl eher die Aufgabe von Vater Eggestein sei.
Am Ende der Saison endet Johannes Vertrag in Bremen. Es gibt einige interessierte Vereine, doch „Werder ist mein erster Ansprechpartner.“ Hendriks Vertrag bei 96 läuft weiter, auch in der 2. Liga. Aber sechs Tage vor dem richtungsweisenden Spiel beim VfB Stuttgart hegt er keinen Zweifel: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch nächstes Jahr in der 1. Liga spielen.“
Distelrath fordert mehr Vertrauen fürs Ehrenamt:
NFV-Präsident kritisiert Starkult - „Ist das noch mein Fußball?“
Günter Distelrath fordert mehr Vertrauen für die ehrenamtliche Tätigkeit in den deutschen Fußballvereinen: „Wir brauchen eine Stärkung der Vertrauenskultur. Die Nachweispflicht bei so mancher ehrenamtlicher Tätigkeit erscheint mir mitunter größer als wenn man eine Steuererklärung abzugeben hat. Das kann es nicht sein“, erklärte der NFV-Präsident auf dem Krombacher Jahresempfang.
Während seiner Begrüßungsrede betonte er des Weiteren, dass das Publikum zunehmend distanzierter und sensibler auf Auswüchse des Profigeschäfts reagiere. „Es stößt auf, wenn ein Frank Ribery, der für viele Kinder als Vorbild fungiert, bei Instagram zelebriert, wie er ein Gold-Steak serviert bekommt und anschließend auf die berechtigte Kritik mit Beleidigungen der untersten Schublade reagiert. Es stößt auf, wenn Transfersummen wie bei Neymar in Höhe von 222 Millionen Euro gezahlt werden und in elitärer Runde über die Einführung einer europäischen Super League gesprochen wird, die nach amerikanischen Vorbild ohne Auf- und Abstieg ein Closed Shop sein soll.“
Vor dem Hintergrund eines immer kommerzieller werdenden Sports würde sich so mancher an der Basis fragen: „Ist das noch mein Fußball?“ Zwar sei es erfreulich, dass die Deutsche Fußball Liga (DFL) in der Saison 2017/18 einen Erlös von 4,42 Milliarden Euro erzielt hat und damit den 14. Umsatzrekord in Folge vermelden konnte. Auf der anderen Seite würde der Präsident eines Amateurvereins sich aber schon fragen, was er davon habe. „Seine Gedanken drehen sich vielmehr darum, ob es für die Jugendmannschaften in seinem Verein genügend qualifizierte Trainer gibt, ob es genügend bespielbare Plätze gibt und ob sich überhaupt Menschen finden lassen, die in seinem Verein mitmachen. Sprich, seine Gedanken drehen sich darum, ob und wie sein Verein funktionieren kann.“
Funktionierende Vereine an der Basis seien für die Zukunftsfähigkeit des deutschen Fußballs elementar: „Der Fußball in unserem Lande, das sind weniger die 18 Spiele, die am Wochenende in der 1. und 2. Bundesliga stattfinden. Der Fußball in unserem Lande sind vielmehr die 80.000 Spiele, die unterhalb der DFL-Ebene stattfinden, davon 95 Prozent auf der Kreisebene.“
Als große Herausforderungen für den Vereinsfußball bezeichnete er unter anderem eine bessere Infrastruktur für die Vereine und die Sicherung und Qualität des ehrenamtlichen Nachwuchses. Hierzu seien auf dem 3. Amateurfußballkongress in Kassel wertvolle Handlungsempfehlungen auf den Weg gebracht worden, an dessen Umsetzung es jetzt im Zusammenspiel mit den örtliche Kommunen, den Ländern und dem Band zu arbeiten gelte. Distelrath: „Konzepte sind gut und wichtig, entscheidend ist aber die Umsetzung.“ Für die Sicherung des ehrenamtlichen Engagements sei eine Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, zum Beispiel beim Steuerrecht, Haftungsrecht und Datenschutz, unerlässlich.