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HIV- positiver Polizeianwärter darf nicht abgelehnt werden

Region.

Die 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Hannover hat mit Urteil vom 18. Juli die Polizeiakademie Niedersachsen verpflichtet, über die Bewerbung des Klägers neu zu entscheiden, bei dem eine mehrjährig und erfolgreich therapierte HIV-Infektion besteht. 

Infolge der Therapie mit antiretroviraler Medikation liegt bei dem Kläger die Viruslast ständig unter der Nachweisgrenze. Das Gericht hat zu der Frage, ob diese Infektion zur Polizeidienstuntauglichkeit führt, ein Sachverständigengutachten eines im Bereich der Immunologie forschenden Professors der Medizinischen Hochschule Hannover eingeholt. Die Kammer ist der Auffassung des Sachverständigen gefolgt, dass bei dem Kläger weder eine vorzeitige Dienstunfähigkeit drohe noch ein Risiko bestehe, dass er Kollegen oder Bürger anstecken könnte. Sie hat dabei hervorgehoben, dass ihre Einschätzung nicht allgemein für HIV-Infizierte Geltung beansprucht, sondern sich auf die gesundheitliche Situation des effektiv therapierten Klägers bezieht. Da der Kläger das Auswahlverfahren für den Polizeidienst noch gar nicht durchlaufen hatte, konnte er nicht mit Erfolg seine Einstellung als Polizeikommissar-Anwärter beanspruchen, sondern nur eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Frage der Polizeidiensttauglichkeit.

Die Aidshilfe Niedersachsen Landesverband (AHN) hat den Fall genau verfolgt und schon im Vorfeld seine Zweifel zur Rechtsmäßigkeit geäußert. „Wir hoffen, dass mit der Bestandsaufnahme und Zwischenbilanz durch Richter und Parteien ein deutliches Zeichen für die Gleichbehandlung, gegen die Ausgrenzung, Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV gesetzt wird“, sagte AHN-Geschäftsführerin Christin Engelbrecht am Mittwoch in Hannover.

„Aus medizinischer Sicht spricht nichts gegen die Einstellung von HIV-positiven Menschen in den Polizeidienst oder in andere Berufe“, betont Prof. Dr. med. Matthias Stoll, Vorstandsmitglied der AHN, Leitender Oberarzt an der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und Leiter der dortigen HIV-Ambulanz. HIV sei eine gut zu behandelnde chronische Erkrankung. Patienten hätten unter konsequenter antiviraler Therapie in der Regel eine ebenso hohe Lebenserwartung wie nicht Infizierte, seien weder infektiös noch in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt. „Es gibt keinen Grund, HIV-positive Menschen von welchen Berufslaufbahnen auch immer fernzuhalten“, sagt Stoll. Für ebenso wenig nachvollziehbar und begründet hält der Experte die Speicherung von gesundheitsbezogenen Einträgen in polizeilichen Datenbanken von Bund und Ländern. In Niedersachsen würden etwa 4.500 Bürger mit Hepatitis- oder HIV-Infektionen unter dem Zusatz „ANST“ (ansteckend) geführt. Dies berge – nicht erst seit der möglichen Heilung von Hepatitis-C-Infektionen und der Nichtübertragbarkeit von therapierten HIV-Infektionen – das Risiko von Fehleinschätzungen und schüre die Stigmatisierung, kritisiert Stoll.

Schadensersatz oder Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz hat die Kammer dem Kläger nicht zugesprochen. Nach ihrer Auffassung war die Frist von zwei Monaten für die Geltendmachung solcher Ansprüche nach Ablehnung der Bewerbung nicht eingehalten worden. Die Kammer hat gleichwohl angemerkt, dass sie auch in der Sache nicht von einer Diskriminierung des Klägers ausgeht, weil seine Polizeidiensttauglichkeit erst infolge des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens fundiert bewertet werden konnte.

Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Berufung zum Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht zugelassen. Dies hatten die Beteiligten auch jeweils für den Fall des Unterliegens ausdrücklich beantragt.