Anzeige
Anzeige
Anzeige

Herzspezialisten der Region Hannover informieren

Die führenden Herzspezialisten des KRH (von links nach rechts): Prof. Dr. Andreas Franke, Prof. Dr. Marc Merx und Dr. Bernhard Vieregge

Region.

Herzerkrankungen sind sehr gut erforscht. Im Interview berichten die Herzspezialisten Prof. Dr. Andreas Franke, KRH Klinikum Siloah, Dr. Bernhard Vieregge, KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge, und Prof. Dr. Marc Merx, KRH Klinikum Robert Koch Gehrden, wo die Kardiologie heute steht und welche Herausforderungen es nach wie vor zu bewältigen gilt.

Was macht die Herzgesundheit aus, was sind die größten Risikofaktoren?

Vieregge: Das Beste für das Herz ist regelmäßige Bewegung. Und wem für Ausdauersport die Zeit fehlt, der sollte seinen Alltag überdenken. So ist die Treppe immer die bessere Wahl als der Aufzug.

Merx: Wir wissen heute sehr genau, wie wirksam Sport das Herz stärkt. Diese Zusammenhänge konnten wir vor zehn Jahren noch nicht so genau belegen.

Franke: Die größten Risikofaktoren bleiben Rauchen, Übergewicht sowie der sehr häufige Bluthochdruck. Vor allem für Patienten, die bereits Probleme mit dem Herzen haben.

Im Netzwerk Kardiologie des KRH-Verbundes kooperieren die internistischen und kardiologischen Abteilungen der Klinikstandorte eng miteinander. Welche Möglichkeiten der Diagnostik und Behandlung stehen zur Verfügung, vor allem mit Blick auf die hoch spezialisierten Herzkatheterlabore in Gehrden, Neustadt und am Standort Siloah?

Franke: Wir können das Herz mit Ultraschall von außen untersuchen, ganz ohne Strahlenbelastung oder Gabe eines Kontrastmittels. Und wir können über einen Katheter von innen die Gefäße überprüfen. Hinzu kommen Untersuchungsmöglichkeiten mit einem Computer- oder einem Magnetresonanz-Tomographen, also CT oder MRT. Das MRT in Gehrden verfügt über eine Leistungsfähigkeit von drei Tesla, die in Neustadt und am Siloah haben jeweils 1,5 Tesla.

Merx: Die Funktion des Herzens lässt sich insbesondere mittels Ultraschall und Kernspintomographie beurteilen. Zudem prüfen wir das Blutvolumen, das durch das Herz bewegt wird, oder auch seine Muskelmasse. Auch das Labor gibt über Blutuntersuchungen Hinweise auf den akuten Zustand des Organs.

Vieregge: Die KRH-Standorte sind dafür alle technisch sehr gut ausgestattet und vernetzt. Zudem können alle beteiligten Kollegen die dort aufgenommenen Bilder nahezu in Echtzeit ansehen, beurteilen und Befunde sowie Therapieansätze diskutieren.

Wie hat sich die Kardiologie entwickelt, und was waren die Quantensprünge in der Diagnostik und Behandlung?

Merx: Zum einen haben sich die bildgebenden Verfahren verändert. Im MRT können wir etwa durch spezielle Untersuchungsverfahren das Herzmuskelgewebe genauestens analysieren. Vor allem aber können wir heute aufgrund deutlich verkleinerter Materialien und Geräte auf schonende Weise auch Patienten helfen, die schon älter oder aufgrund von Vorerkrankungen geschwächt sind. Das Mitraclipping, bei dem per Katheter die Mitralklappen-Undichtigkeit ohne OP behoben werden kann, ist ein gutes Beispiel dafür.

Franke: Ein anderes Beispiel sind Ultraschallgeräte, die wir heute in der Kitteltasche mit zum Patienten nehmen können. Wegweisend ist auch das Impella-System, eine winzige Pumpe, die wir über einen Katheter von nur 4,5 Millimeterdurchmesser in das Gefäß führen und dabei das Herz während eines Eingriffes unterstützen können. Das entlastet den Patienten enorm, vor allem in einer akuten Notfallsituation nach einem Infarkt. Und wir setzen heute fast nur noch Stents als Gefäßstützen ein, die mit einem besonderen Medikament beschichtet sind: Dadurch bleiben sie dauerhaft offen.

Vieregge: All diese Veränderungen helfen enorm, der stetig steigenden Zahl älterer Patienten helfen zu können, wie wir es noch vor zehn Jahren nicht konnten. Die Diagnostik, aber auch die Therapien und Eingriffsmöglichkeiten sind deutlich schonender und eignen sich damit auch für geschwächte Patienten. Überdies haben sich die Medikamente verändert. Gerade im Bereich der Substanzen zur Gerinnungshemmung oder sogenannten Blutplättchenhemmung gibt es heute Alternativen und damit eine größere Bandbreite, um die richtige Lösung für den Patienten zu finden.

Wie hat sich die Kardiologie durch moderne bildgebende Verfahren verändert?

Franke: Einer der Quantensprünge in der Kardiologie. Damit konnten wir im Verbund der KRH-Kliniken einen Bildpool aufbauen, sodass alle Kollegen an allen Standorten auf die Patientenbilder zugreifen können.

Vieregge: Das ist wirklich beeindruckend. Bilder können von Kollegen unmittelbar mitbetrachtet werden, um gemeinsam den weiteren Weg zu beraten. Überdies haben wir heute beispielsweise mit dem „Schluckecho“ ein Ultraschallgerät, mit dem wir über die Speiseröhre alle Herzklappen sehr detailliert und dreidimensional betrachten können. Das bedeutet für den Patienten: keinerlei Strahlenbelastung und auch keine Gabe von Kontrastmitteln, die nicht jeder verträgt oder die auch für Patienten mit Nierenproblemen nicht ohne Weiteres geeignet sind.

Merx: Und wir können ganz unterschiedliche bildgebende Verfahren heute zeitgleich kombinieren. Dadurch erhalten wir sofort Informationen, die sich entscheidend ergänzen. Auf dieser Ebene hat die Kardiologie enorme Fortschritte gemacht.

Aktuell werden pro Jahr rund 15.000 Patienten mit Herzerkrankungen im Netzwerk Kardiologie des KRH behandelt. Wohin wird sich die Kardiologie entwickeln?

Vieregge: Die Zahl der älteren Patienten wird steigen. Damit werden auch die Problemfelder komplexer.

Franke: Es werden sich mehr Menschen für eine Operation vorstellen können, als wir es noch vor zehn Jahren für möglich gehalten haben, weil wir auch älteren und geschwächten Patienten helfen können.

Merx: Früher stand der Infarkt im Mittelpunkt. Heute sind die Chancen, einen Infarkt zu überleben, enorm gestiegen. Das bedeutet auch, dass wir es jetzt häufiger mit Krankheitsbildern jenseits des Infarktes zu tun bekommen, zum Beispiel mit deutlich geschwächten Herzen.

Was sind die größten Herausforderungen heute und in der Zukunft?

Vieregge: Es werden sich uns weniger technische Fragen stellen als vielmehr ethische. Nur, weil wir im Detail viel mehr können, heißt das noch lange nicht, dass wir damit auch alle Probleme lösen können. Ein älterer Patient, der mehrere verengte Herzkranzgefäße hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit noch andere Probleme haben. Aber wir müssen uns fragen, ob es immer sinnvoll ist, über Wochen verteilt jedes Gefäß zu öffnen und den Patienten jedes Mal wieder dieser Belastung auszusetzen. Und ich würde mir in der Bevölkerung mehr Mut zur Laien-Reanimation wünschen. Jede Minute nach einem Infarkt zählt. Wir können bei aller Technik nur helfen, wenn diese kostbare Zeit nicht vertan wird. Leider hilft nur jeder Dritte selbst. Mehr als 60 Prozent warten auf den Rettungswagen, ohne mit der Wiederbelebung zu beginnen.

Merx: Erschreckend ist auch, dass dies innerfamiliär ganz ähnlich ist. Es hat also nichts damit zu tun, dass Menschen sich nur bei einem Fremden nicht trauen einzugreifen.

Franke: Wir müssen erkennen, dass wir nicht alles, was technisch geht, auch bei jedem einsetzen sollten. Umso wichtiger ist, dass in der Diagnostik genügend Zeit und Expertise für eine vollumfängliche Beratung bleibt. Doch dafür braucht es gutes Personal, bei Ärzten wie in der Pflege. Als Herausforderung empfinde ich deshalb auch, den Stellenwert des medizinischen Personals in der Gesellschaft wieder zu steigern.