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Borreliose weiter ein Problem

Gesundheit.

Eine Einstweilige Verfügung durch das Landgericht Berlin verhindert die Verabschiedung und Verbreitung der S3-Leitlinie "Neuroborreliose". Die Patientenorganisation BFBD und die ärztliche Deutsche Borreliose-Gesellschaft (DBG) erwirkten diesen Stopp, weil ihre Einwände zur Diagnostik und Therapie nicht eingebracht wurden und dadurch Falschbehandlung mit Folgeschäden zu befürchten sind.

Borreliose, die weltweit häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit, ist oft schwierig zu diagnostizieren. In Deutschland erkranken laut Robert-Koch-Institut jährlich 100.000 Erwachsene und Kinder. Krankenkassen-Schätzungen gehen von fünffach höheren Zahlen aus. Exakte Daten liegen nicht vor, da in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, NRW und Schleswig Holstein keine Meldepflicht besteht.

Wird Borreliose zu spät oder gar nicht erkannt, kommt es häufig zu chronischen Beschwerden. Mit zunehmender Erkrankungsdauer breiten sich Borreliose-Bakterien im Körper aus mit der Folge von anhaltenden Nervenschmerzen, Missempfindungen, Gelenk- und Muskelschmerzen, chronischen Hautveränderungen und Lähmungserscheinungen.

Bis zur Diagnose-Stellung haben die meisten Patienten eine Ärzte-Odyssee hinter sich, bevor die Ursache für Schmerzen, Entzündungen und Lähmungen entdeckt und behandelt wird oder auch nicht. Der Leidensweg Vieler ist lang und schmerzlich. Ohne gesicherte Ursache werden nicht selten die Diagnosen Depression, Fibromyalgie, Multiple Sklerose, Polyneuropathie oder psychische Störung gestellt.

Jedes Jahr töten sich Menschen in ihrer Ausweglosigkeit, weil Arzt und familiäres Umfeld sie als eingebildete Kranke stigmatisieren. Aus Großbritannien und den Niederlanden ist bekannt, dass Menschen sich aus dem Fenster oder von einer Klippe stürzten .

Ein Hauptproblem sind die unsicheren Labortests. Man kann mit dem gleichen Blut in einem Labor positiv und im nächsten negativ sein. Eine Studie aus 2016 bestätigte, dass eine Testsicherheit von nur 62 Prozent besteht. Die Konsequenzen für Patienten sind Fehldiagnosen, Falschbehandlungen, Behandlungsverweigerungen, Langzeiterkrankungen und drohende Berufsunfähigkeit.

Die mehr als 20 Jahre alten Therapieempfehlungen dürfen nicht auch noch in einer Leitlinie empfohlen werden. Die weltweit größte Studie mit 52.795 Teilnehmern aus dem Jahr 2015 fand heraus, dass nach üblicher Therapie 63,1 Prozent der Patienten weiterhin über Beschwerden klagten. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete im Dezember 2017 von einer Studie mit Primaten, die nach Standardbehandlung zu 60 Prozent noch lebende Bakterien aufwiesen.

Falsch behandelte Patienten laufen Gefahr, die Borreliose nie wieder los zu werden. Die Zahl der Patienten mit Folgeschäden wird daher deutlich ansteigen. Viele Neurologen sind jedoch der Meinung, dass Patienten, die nicht spätestens nach drei Wochen Therapie wieder gesund sind, keine Borreliose hätten.

Achtung Berufskrankheit

Derartige Leitlinien haben vor deutschen Gerichten und in Gutachten einen hohen Stellenwert. Eine im Berufsleben erworbene Borreliose gilt als Berufskrankheit; und die meisten Unfallversicherungen versichern auch das private Risiko Borreliose. Doch wenn sich ein Gutachten auf diese Leitlinie bezieht, haben die Versicherten keine Chance auf Anerkennung.

Die einstweilige Verfügung rügt, dass wichtige, auf wissenschaftlichen Studien basierende Argumente der Patientenorganisation und der auf Borreliose spezialisierten Ärzte-Gesellschaft in der Leitlinie nicht berücksichtigt wurden. Die Anträge auf Sondervoten wurden abgelehnt. Der BFBD und die ärztliche Fachgesellschaft (DBG) fordern forcierte Forschung und eine Nachbesserung der Leitlinien vor deren Erneuerung.