Barsinghausen
Die Aussagen von Bürgermeister Marc Lahmann beim Besuch der Schüler der Wilhelm-Stedler-Schule werden von Meike Alonso, Mutter und Architektin aus Barsinghausen, kritisiert. Sie schreibt:
"Angesichts der Diskussion um die Wilhelm-Stedler-Schule und das Verhalten des Bürgermeisters und der Verwaltung fühle ich mich als Wähler vorgeführt und verstehe den Umgang als ein Beispiel par excellence Politikverdrossenheit herbeizuführen. Wenn der Bürgermeister in die Wilhelm-Stedler-Schule zur Fragerunde kommt und dabei den Schülern suggeriert, dass eigentlich schon der Standortwechsel entschieden sei und er die aus seiner Sicht vorhandenen Vorteile aufzählt, aber im Gegenzug den Erhalt des Standortes mit Baulärm und Lernen in Containern gleichsetzt. Ohne das weiter auszuführen. Ich frage mich wo bei dieser Art der Darstellung das Demokratieverständnis bleibt.
„Eines der obersten Ziele schulischer Bildung überhaupt ist es, junge Menschen zu befähigen, sich in der modernen Gesellschaft zu orientieren und politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Fragen und Probleme kompetent zu beurteilen. Dabei sollen sie ermuntert werden, für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Gerechtigkeit, wirtschaftliche Sicherheit und Frieden einzutreten.“ Ein Auszug aus der Kultusministerkonferenz. Partizipation und demokratische Bildung funktionieren nur, wenn man sein Gegenüber ernst nimmt. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Schüler in dieser Fragestunde mit ihren Wünschen ernstgenommen wurden. Sie sollten überzeugt, aber nicht ernsthaft beteiligt werden.
Abgesehen davon, dass es einen gültigen Ratsbeschluss gibt die Schule an gleicher Stelle neu zu bauen, der einfach ignoriert wird, wird nun auf Grundlage einer Empfehlung der Verwaltung neu verhandelt. Und das ohne jegliche Fakten als Grundlage. Die reine Aussage, dass man durch den Standortwechsel die Innenstadt weiterentwickeln könnte, ist eine fadenscheinige Begründung. Die Innenstadt krankt an ganz anderer Stelle – und das bereits in A-Lage. Da braucht es keine weiteren Gewerbeflächen in B-Lage. Zudem fallen mit dem Standortwechsel vermutlich viele Spontaneinkäufe von Eltern und Schülern weg. Auch der Vorschlag der Verwaltung hierzu einen Ideenwettbewerb auszuloben, ist entweder als Legitimation vorgeschoben oder aber zeigt, dass die Stadt sich scheinbar doch nicht so sicher ist, ob diese Art der Ansiedlung dort die richtige ist. Und dann würde das Argument in sich zusammenfallen. Es gibt keine konkreten Ansätze, die den Vorteil einer anderen Nutzung an diesem Standort belegen könnten.
Aktuell werden an der Bert-Brecht-Schule etwa 100 Schüler unterrichtet. Sollte die WSS an diesen Standort umziehen und als vierzügige-Grundschule neu gebaut werden, werden die Verhältnisse andere sein. Nach Klassenteiler des Kultusministeriums würde das bedeuten, dass im Maximum 416 Schüler an der Schule unterrichtet würden – zuzüglich Kollegium. Ein weiterer Aspekt ist die Ganztagsschule. Die Grundschule soll als Ganztagsschule gebaut werden, was dazu führen wird, dass ein Großteil der Schüler nicht um 13 Uhr nach Hause gehen wird sondern deutlich länger in der Schule mit Nutzung des Schulhofes verweilen wird. Für die Anwohner wird das zu einer großen Veränderung führen, was den Verkehr und die Geräuschkulisse betrifft. Hat die Politik oder die Verwaltung mit den Anwohnern hier bereits das offene Gespräch gesucht?
In Zeiten einer zunehmend heterogenen Gesellschaft mit unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen, ist die Schule der einzige gemeinsame Nenner, der gesellschaftliche Treffpunkt im Ort. Prof. Dr. Ramseger als Mitglied der Berliner Schulbauoffensive sagte erst kürzlich „die Schule ist die neue Kirche und zugleich der einzige Ort an dem noch alle gleichermaßen verpflichtet zusammen kommen“1. Sollte der Ort nicht im Herzen der Stadt verankert bleiben? Ein Teil der Schule könnte so geplant werden, dass sie multifunktional auch am Nachmittag beispielsweise für Ausschusssitzungen des angrenzenden Rathauses benutzt werden können. Die Stadtbibliothek als Teil der Schule ist für Schule wie auch für die Stadtbibliothek eine Win-Win-Situation. Die Kirche könnte in Zusammenarbeit mit der Mensa, die für einen Ganztagsbetrieb erforderlich wird, einen Mittagstisch für die Gemeinde anbieten oder auch für größere Zusammenkünfte die Aula nutzen. Andere Kommunen suchen genau vor diesem Hintergrund gezielt nach innerstädtisch angebundenen Grundstücken für ihre Schulneubauten, um eine Situation zu erreichen, die wir als Bestand haben!
Eine Schule, die im Betrieb auch weiterhin baulich unterhalten wird, hat im Schnitt eine Lebensdauer von 100 Jahren. Ja, der Neubau an gleicher Stelle würde zur Folge haben, dass die Kinder für einen Zeitraum von 1-2 Jahren in Containern unterrichtet werden. Was bedeutet der Zeitraum im Lebenszyklus einer Schule? Der Begriff Container ist per se negativ behaftet. Es macht sich aber auch keiner die Mühe, die damit verbundenen Ängste und Vorstellungen zu entkräften. Die aktuellen Schulcontainer sind um einiges attraktiver als sich Viele vorstellen mögen und technisch sicherer als das Bestandsgebäude. In der Gesamtinvestition und Anbetracht der Tatsache, dass wir an Bildung nicht sparen sollten, dürfen die Mehrkosten für eine Containerlösung kein Argument sein. Auch der Aspekt, dass die Kinder den Neubau unmittelbar verfolgen können, wird nur mit Baulärm verknüpft anstatt die großen Potenziale zu sehen, was die Kinder dabei außerhalb des notwendigen Lehrstoffes nach Lehrplan noch lernen könnten. Die Kinder können an dem Neubau partizipieren, es können kleine Projekte im Unterricht unternommen werden, die die Themen Bauen, Wahrnehmung, Architektur und deren Zusammenhänge beleuchten. Und nicht zuletzt die Identifikation, die bei Schülern und Eltern, aber auch Lehrern entsteht, wenn sie dem Prozess beiwohnen können.
Mir sind einige Grundschulen bekannt, die aktuell eine derartige Situation durchleben und Lehrer, wie auch Eltern und Schüler den Mehrwert durch eine Partizipation im Bauprozess deutlich über die Nachteile von Staub und Lärm stellen. Gerne bin ich bereit für die Verwaltung und den Rat einmal eine Exkursion zu organisieren, um ihnen vor Augen zu führen, wie positiv es verlaufen kann.
Abschließend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass es schade ist, dass neben der Standortfrage gar nicht thematisiert wird, wie sich die neue Grundschule inhaltlich und architektonisch präsentieren soll. Schule hat sich in den letzten Jahren rasant weiterentwickelt und sollte nicht mehr als Flurschule gebaut werden. Wie wünschen sich aber die Lehrer und Eltern die neue Schule? Wie soll pädagogisch gearbeitet werden und welche Räume und welche Art von Architektur brauchen sie dafür? Das sind Fragen ganz abseits der Problematik, wie das Personal bei einem Standortwechsel aufgebracht werden soll, die Schüler zum Sportunterricht zu begleiten. Die Antworten auf diese Fragen werden die Art zu Lernen und wie Schule gelebt und empfunden wird unsere Kinder grundlegend prägen. Aufgrund der Dringlichkeit die Schule neu zu bauen, da der Bestand technisch nicht mehr standhält, fürchte ich, dass die sogenannten „Leistungsphase 0“, das gemeinsame Erarbeiten einer Raumvorgabe durch Lehrer, Eltern und Verwaltung, durch die endlose lange Diskussion um den Standort vernachlässigt wird. Dies wäre ein weiterer trauriger Aspekt in einer Aneinanderreihung von Entscheidungen, die objektiv betrachtet nicht nachzuvollziehen sind und schon bei den Kleinsten dazu führen, dass sie sich von der Politik nicht ernst genommen und als künftige Wähler übergangen fühlen. Und das Gefühl wird bleiben!"
Meike Alonso
Barsinghausen