Wennigsen.
Die Glocken der Klosterkirche Wennigsen läuten bereits für den ökumenischen Gottesdienst um 18.30, als sich rund 20 Vertreter der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) am Gedenkstein treffen, zum erstenmal ohne den in diesem Jahr verstorbenen Dieter Hasenjäger. Eine gute Stunde später werden noch einmal rund 140 Wennigser hier stehen, um ebenfalls der Opfer von Faschismus und Krieg zu gedenken und zu mahnen.
"In Wennigsen findet in diesem Jahr- 74 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus und 81 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938- eine erste offizielle Gedenkveranstaltung statt. Für die Ausrichtung dieser Veranstaltung sind wir der Gemeinde Wennigsen dankbar", erklären die Vertreter von VVN/ BdA. Und dann kritisieren sie, dass sie an der Planung der Veranstaltung nicht beteiligt worden seien, obwohl sie bereits vor 13 Jahren den Gedenkstein aufgestellt und seitdem an dieser Stelle, so wie an diesem Abend, regelmäßig Gedenkveranstaltungen durchgeführt hätten. Dass sie der anderen, offiziellen kommunalen Gedenkveranstaltung fernbleiben, hat aber noch einen tieferen Grund: "Wir bedauern das zutiefst, aber eine Veranstaltung zusammen mit der AfD ist für uns nicht vorstellbar."
Und dann erzählt Maria Becker, SPD-Vorstandsfrau aus Degersen, dass sie von der Kriminalpolizei angeschrieben wurde, weil ihr Name auf einer Liste auftaucht, die von Personen aus dem rechten Spektrum zusammengestellt und teilweise im Internet veröffentlicht wurden. "Ich habe mir vorgenommen, meine Gesinnung deshalb nicht zu verstecken."
Sich erinnern und Farbe bekennen, ist auch das Thema der ersten kommunalen Gedenkveranstaltung. Der katholische Seelsorger Matthias Gottschlich lässt die Ereignisse des 9. November 1933 Revue passieren, während sein evangelischer Amtskollege Carsten Wedemeyer die Frage stellt, was passiert sei oder eben auch nicht, dass im Jahr 2019 laut einer Studie ein Viertel der Deutschen anstisemitischen Aussagen zustimme. Viel Applaus bekommt die ehemalige Ratsvorsitzende und Bürgermeisterin Renate Borrmann (SPD): Die Juristin plädiert für den staatlichen Schutz der Menschenwürde und die Gleichheit aller Menschen nach dem Grundgesetz. Jeder müsse sich an seinem jeweiligen Platz für diese freiheitlich- demokratischen Werte engagieren.
Bürgermeister Christoph Meineke und Jugendbürgermeister Ole Hagen sind es dann, die an diesem Abend den zweiten Kranz am Gedenkstein niederlegen. Ja, es habe auch einen Anschlag auf ein jüdisches Haus in der Region Hannover gegeben, sagt Meineke und erinnert damit an die Ereignisse in Hemmingen in diesem Sommer. Als positive Widerstands-Zeichen nennt Meineke den Welcome-Kreis in Wennigsen, Sophie Scholl als Namensgeberin der KGS und das Engagement des Jugendparlamentes. Jugendbürgermeister Ole Hagen erinnert an Anne Frank, die mit 15 im Konzentrationslager Bergen- Belsen an Typhus gestorben ist - und an ihre Hoffnung: "Einmal werden wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein."