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Taucht im Krimi der Pathologe auf, dann geht es um Mordfälle, um die Ermittlung von Todesursachen und meistens schräge Typen. Das ist in Wirklichkeit fast ganz anders. Pathologen beschäftigen sich zum allergrößten Teil mit dem Gewebe von lebenden Patienten. Dabei kommt man als Patient gar nicht mit ihnen in direkten Kontakt, denn die Arbeit des Pathologen läuft im Hintergrund. Entscheidet ein Arzt zum Beispiel, dass eine Patientin aufgrund ihres Brustkrebses sich einer Chemotherapie unterziehen sollte, dann hat dies vorher ein Pathologe anhand einer Gewebeprobe diagnostiziert und durch weitere Untersuchungen des Tumorgewebes (z.B. die Wachstumsgeschwindigkeit) eine entsprechende Empfehlung gegeben.
Prof. Dr. Reinhard von Wasielewski ist ein solcher Pathologe im Team des Klinikum Region Hannover (KRH) Pathologie und sitzt in der Nordstadt. Bei ihm dreht sich alles um eben diese Gewebeproben. Er begutachtet und analysiert gesunde oder kranke Zellverbände von Patienten aus den Kliniken des KRH. Und das funktioniert so: Der Patientin wird eine Gewebeprobe entnommen. Der behandelnde Arzt im Klinikum Region Hannover leitet die Gewebeprobe in einer Fixierflüssigkeit weiter an das Institut Pathologie, das am KRH Klinikum Nordstadt sitzt. Hier wird die Probe weiterbearbeitet und danach in Wachs gegossen, um sie für die Untersuchung im Mikroskop schneiden zu können. Die tausendstel Millimeter dünnen Scheiben werden auf Glasplättchen (sog. Objektträger) aufgezogen und gefärbt. „Je nachdem, welche Fragestellung es gibt, werden Standard- oder Spezialfärbungen durchgeführt, um bestimmte Zellstrukturen sichtbar zu machen“, erklärt von Wasielewski.
Bis Anfang 2019 musste der Objektträger immer dahin reisen, wo der Experte mit seinem Mikroskop war. Das hat sich nun grundlegend geändert. Die Objektträger mit den eingefärbten Gewebeproben können nun mit Hilfe eines Spezialgerätes eingescannt werden. Dieser Scanner macht Bilder der Proben mit 400-fachem Zoom. Die Vorteile dieser Methode liegen für Prof. Dr. Ludwig Wilkens, Chefarzt der KRH Pathologie, spezialisiert auf Leberpathologie, auf der Hand: „Die Verarbeitung von eingescannten Proben vereinfacht viele Abläufe in der Pathologie enorm. Wir haben Kollegen in Bielefeld und Gifhorn, aber auch die Wege innerhalb des KRH nach Gehrden oder ins Siloah können wichtige Zeit kosten. Haben uns die Proben erreicht, dann können wir diese aufbereiten und danach als Scan befunden. Die virtuelle Mikroskopie, also die Analyse von gescannten Gewebeproben auf dem Computer, lässt die Ergebnisse schneller zum Patienten kommen.“
In Hannover läuft die telepathologische Begutachtung dann so ab: Prof. von Wasielewski, spezialisiert auf Gynäkopathologie, öffnet den Scan auf seinem Monitor und kann sich nun Zellen und Gewebeverbände der eingescannten Probe anschauen. Dabei kann er beliebig ein- und auszoomen wie bei einem konventionellen Mikroskop, mit Hilfe des Computerprogramms Abstände und Größen der Zellen messen, Screenshots von interessanten Bereichen machen oder sich im Bild Erinnerungsmarken setzen. Bei Bedarf kann er das alles noch mit Kollegen per Mausklick teilen und diskutieren. Er diktiert seine Befunde als elektronische Datei direkt in den Computer. Der Schreibdienst erstellt die schriftlichen Befunde und nach Kontrolle durch einen Facharzt werden sie an den behandelnden Arzt versandt.
„Von uns Pathologen möchte der behandelnde Arzt vor Ort wissen, ob z.B. ein Tumor gutartig oder bösartig ist und darüber hinaus, welche weitere Eigenschaften am individuellen Tumorgewebe vorliegen, die für die Festlegung der optimalen Therapie entscheidend sein können“, fügt von Wasielewski hinzu. Doch die Analyse von Gewebeproben erfordert viel Spezialisierung und Austausch. „Die Arbeit mit Scans wird uns Pathologen in der Zukunft auch die Zusammenarbeit untereinander erleichtern. Für die verschiedensten Organe und Arten von Krebs gibt es über ganz Europa verteilt Experten. Möchte man zu seiner Probe schnell eine andere Meinung einholen, dann kann das heute dank der Telepathologie viel schneller und genauer geschehen. Die Scans sind nicht nur innerhalb von Minuten ausgetauscht, sondern durch die Möglichkeit der Markierung von bestimmten Bereichen können die Fragestellungen präziser werden. Die virtuelle Mikroskopie ist ein echter Fortschritt für uns und für unsere Patienten“, ergänzt Chefarzt Wilkens überzeugt.