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Thiedau: Barack Obama vermasselte seinen Nordkap-Tourstart

Helmut Thiedau am 11. Juli am vernebelten Nordkap - kurz darauf reißt der Himmel auf.

Bredenbeck / Nordkap.

Der frühere Bredenbecker Ortsbrandmeister Helmut Thiedau ist seit 21. Mai in Rente. Aber große Langeweile wollte der frühere Mess- und Regeltechniker nicht aufkommen lassen und sattelte gemeinsam mit seiner Frau Christiane am 22. Mai seinen Drahtesel mit einem klaren Ziel: das Nordkap. Über 3.000 Kilometer Strecke hin und auch wieder zurück lagen vor dem 63-Jährigen, seinem Fahrrad und seinem Fahrradanhänger. Die ersten 1.700 Kilometer bis nach Liepaja, einer Hafenstadt in Lettland, war Christiane Thiedau (62) an seiner Seite: "Ich wollte aber zum Freischießen wieder Zuhause sein", lacht sie. Im Nachhinein ist sie ganz glücklich, dass sie am 13. Juni umkehrte. "Ich habe nicht immer ein Hotel gefunden oder eine Hütte bekommen. Dann habe ich das Zelt aufgebaut und in der Natur übernachtet", erzählt Thiedau grinsend. "Das wäre nix für mich gewesen. Da hätte es Streit gegeben", ist Christiane Thiedau glücklich über ihre Entscheidung.

Streit gab es auch fast auf dem Weg Richtung Nordkap in Berlin. Thiedau hatte sich fest vorgenommen, durch das Brandenburger Tor zu radeln. "Aber es war Kirchentag und Barack Obama war dort zu Gast. Der Secret Service hatte das Brandenburger Tor gesperrt", ärgerte sich der Radler anfänglich über die vom Ex-Präsidenten vermasselte Tour. Inzwischen ist es eine gerne erzählte Anekdote der Reise.

Während der 78 Tage dauernden Reise führte Helmut Thiedau penibel ein Tagebuch. "Ich habe die Orts, den Kilometerstand und alle Begebenheiten dokumentiert und mir Stempel von den Hotels und Campingplätzen geben lassen". Im Schnitt saß er etwa fünf Stunden am Tag auf dem Rad und brachte es auf gut 90 Kilometer Tagesstrecke. "Ich habe aber auch acht Tage ausgesetzt und Städtekunde betrieben - etwa in Kopenhagen, Stockholm, Riga, Tallinn oder Helsinki.

Von Bredenbeck führte der Streckenlauf wie beschrieben nach Berlin, dann durch acht Länder: von Polen nach Littauen, Lettland und Estland. "Von Tallinn habe ich am 20. Juni die Nachtfähre nach Helsinki genommen". In Finnland angekommen ging es gerade weiter gen Norden. "Hinter dem Polarkreis habe ich Harald, einen Leidensgenossen, getroffen. Mit ihm bin ich eine Woche weiter gezogen. Er war beim Wetterdienst, ist im Ruhestand und hat mir viel über Wolken und Wetter erklärt". Am 10. Juli trennen sich die Wege in Norwegen: "Harald wollte nach Gamvik zum weltweit nördlichsten Leuchtturm auf dem Festland." Am 11. Juli gegen Mittag erreicht Helmut Thiedau endlich sein Ziel: Nordkap. "Es war ganz neblig, man konnte kaum etwas sehen." So blieb der Rentner ein wenig länger an seinem Traumort als er eigentlich wollte. "Und um 16 Uhr hatten wir strahlenden Sonnenschein - da war ich aber schon auf dem Rückweg nach Hause", lacht er.

Doch zum Lachen war der Rückweg nicht wirklich. "Ich musste wetterbdingt einige Strecken abkürzen, außerdem ist mir meine Brille kaputt gegangen", beschreibt er die Ausfallerscheinungen. Mit dem Bus legt er einmal 136 Kilometer bei Starkregen zurück, in Schweden fährt Thiedau 600 Kilometer mit der Eisenbahn. Von Stockholm geht es bis Kopenhagen weiter auf dem Drahtesel. In Deutschland angekommen führte der weitere Verlauf von Travemünde nach Ratzeburg: "Da lebt meine Tochter und da konnte ich schonmal Gepäck loswerden". Die letzte Etappe seiner außergewöhnlichen Reise startet Helmut Thiedau am 7. August in Hamburg-Harburg. "Die letzten 178 Kilometer bis Bredenbeck habe ich quasi in eins abgeritten", freut sich der frühere Feuerwehrmann über seinen Schlussspurt. Und den schaffte er in 9 Stunden und 36 Minuten mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 18,5 Kilometern pro Stunde. "Ich wollte wirklich nach Hause", erklärt Thiedau den eisernen Willen.

Am Montagabend um 20.50 Uhr kam Helmut Thiedau mit 13 Kilo Körpergewicht weniger und überglücklich nach 6.249 Fahrradkilometern wieder in Bredenbeck an. Mit dabei waren seine rund 31 Kilo Gepäck im Anhänger. "Ich hatte Winterkleidung, Sommerkleidung, ein Zelt, Isomatte, Schlafsack, Koch-Geschirr, mehrere Wörterbücher, meine Kamera, stets eine Dose Ravioli für den Notfall, Brot und Nutella, Leberwurst in Tuben oder Rentierfleisch - je nach meinem Standort im Gepäck." Und natürlich hatte Helmut Thiedau die Niedersachsen-Fahne gut sichtbar an seinem Rad angebracht. "Darunter wehte je nach meinem Aufenthaltsort die jeweilige Landesfahne - die hatte ich alle dabei. Das kam richtig gut an".

Sein Versprechen hat er eingehalten: "Ich habe meiner Frau versprochen, zum Kartoffeln roden bin ich wieder da, genauer ging es nicht." Und am Morgen nach seiner Ankunft liegt Helmut Thiedau nicht etwa erstmal lange im Bett: "Helmut ist nicht da, der ist schwimmen und dann fährt er nach Hannover - mit dem Auto", berichtete Christiane Thiedau am Dienstagvormittag der con-nect-Redaktion, als wir einen Termin abstimmen wollen. Am Nachmittag klappt es: "Aber nicht lange, ich sortiere gerade noch meine etwa 1000 Fotos, dann muss ich rund ums Haus aufräumen, während ich weg war hat ein Blitzeinschlag das Telefon teilweise lahmgelegt", ist Thiedau schon wieder im Alltag angekommen. Außerdem wartet noch jemand in seiner Garage: "Ein Traktor aus dem Baujahr 1966, an dem ich zwei bis zweieinhalb Jahre schrauben werde. Am Ende will ich an einer Rallye teilnehmen - in Hamburg oder am Bodensee."

Ob er die Tour noch einmal machen wird, wollen wir wissen: "Diese Tour so sicher nicht mehr. Aber ich habe noch viele andere Ideen. Ich hatte großes Glück mit dem Wetter und nur wenige Regentage, das kann auch ganz anders kommen." Und ganz preiswert ist diese Form des Urlaubs auch nicht. Mit etwa 100 Euro am Tag bei 78 Reisetagen muss man das nötige Kleingeld rechtzeitig auf die hohe Kante legen - von der intensiven Grundlagenplanung einmal abgesehen.