Bredenbeck/ Wennigsen.
Ziel der diesjährigen Herbstfahrt mit der „Reisegruppe in der Kirchenregion Bredenbeck-Gehrden-Wennigsen“ ist die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst in Mecklenburg-Vorpommern gewesen. Ilona Klang aus Bredenbeck hatte die Busreise vorbereitet, geleitet und zusammen mit einem Reiseunternehmen aus Hannover durchgeführt.
Von ihrem Standquartier in Zingst aus unternahmen die 34 Reisenden Ausflüge in die Natur, Kultur und auch in das kirchliche Leben dieses faszinierenden norddeutschen Landstrichs. Die einen werden den Spaziergang auf dem Fischland-Hochufer in lebhafter Erinnerung behalten, jenes markante, 20 m hohe Kliff zwischen Wustrow und Ahrenshoop, von dem aus sie einen weiten Blick auf die sturmgepeitschte Ostsee hatten. Dass es hier immer wieder zu Abbrüchen und Rutschungen kommt und auf diese Weise die Küste durchschnittlich jedes Jahr 60 cm zurückweicht, stimmte nachdenklich. Für andere war ihr persönlicher Höhepunkt die Kremsertour durch den dichten naturbelassenen Urwald, der bis an das Ufer der Ostsee reicht. Eine Fahrt auf dem Bodden zur Beobachtung der herbstlichen Kranichzüge beeindruckte dagegen alle. Bei einem heißen Glas Sanddorn-Grog standen die Calenberger Reisenden bei Sonnenuntergang neben anderen Touristen aus Ost und West an der Reling eines nachgebauten Mississippi-Schaufelraddampfers und sahen hinauf zu den weißen Wolkenbergen, aus denen sich die Kraniche in wohlgeordneter Formation fliegend ihren Übernachtungsplätzen auf den Boddeninseln näherten.
Im Ahrenshooper Kunstmuseum erhielten die Reisenden einen Einblick in Geschichte und Gegenwart dieses Künstlerdorfes. Vor den Gemälden ortsansässiger Künstler aus den verschiedenen Epochen hätte man gerne länger innegehalten. Aber der Besuch der Ahrenshooper Schifferkirche stand noch an. Pastor Reinhard Witte, auch zuständig für die Seemannskirche in Prerow und die Fischerkirche in Born, erzählte der Reisegruppe, unter welch schwierigen Umständen in den Jahren 1950/51 die Gemeinde zusammen mit dem Architekten Hardt-Waltherr Hämer den Bau der Schifferkirche vorantrieb. In einer Ortschaft, die zu DDR-Zeiten den „Kunstschaffenden und der Intelligenz“ des „Arbeiter- und Bauernstaates“ Heimstatt bieten sollte, eine evangelische Kirche zu bauen, war ein fast unmögliches Vorhaben. Doch die Ortsgemeinde unterstützte die Pläne, indem sie das Grundstück zur Verfügung stellte. Der Schmied stellte das Giebelkreuz und die Kerzenständer her, eine Bildhauerin gestaltete die Altarwand, die Kanzel und den Ständer für die Taufschale. Die Schifferkirche wurde ein architektonisches Kleinod und als Kulturdenkmal ein wesentlicher Bestandteil des Künstlerortes. Für den Ortspastor Witte ist sie ein „Pfingstwunder“: viele Menschen aus unterschiedlichen Traditionen, Weltanschauungen und Sprachen bauen auch heute noch an ihr. Gegenwärtig wird das Rohr für das Dach erneuert.
Im 30. Jahr nach der Maueröffnung staunten die Reisenden aus dem Calenberger Land über viele Fortschritte in den Ortschaften an der Ostsee, sie hörten aber auch einiges über die Mühen und sozialen Umbrüche, denen die Menschen nach der Wende ausgesetzt waren. Während eines der abendlichen Gruppengespräche hatten Ilona und Achim Klang ihren Freund Peter Sense aus Schwerin eingeladen. Peter Sense, Mecklenburger und von Beruf Diplom-Ingenieur war schon als Jugendlicher aufgrund seiner christlichen Erziehung in der katholischen Kirche engagiert. Er erzählte, wie ihm sein Glaube dabei geholfen habe, schon früh dem Einfluss der politisch geprägten DDR-Erziehung zu widerstehen. Die Wendezeiten begannen für ihn deshalb nicht erst im Jahr 1989. Schon Anfang der achtziger Jahre nahm er teil an ökumenischen Treffen und an Bibelkreisen. Später schloss er sich der Bürgerbewegung in der DDR an und gestaltete die Wende mit. Schikanen und Drohungen der Stasi gegen ihn und seine Familie waren bittere Folgen seiner Haltung. Von 1993-1998 war Peter Sense „Landesbeauftragter für Mecklenburg Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“. Heute engagiert er sich in der Umweltbewegung.
Viele der kirchlichen Kreise in der DDR lebten in der Tradition des kurz vor Ende des Krieges im März 1945 hingerichteten Theologen Dietrich Bonhoeffer, der die Aufgabe der Kirchen im „Beten und Tun des Gerechten“ sah. Der Pastor der Peter-Paul-Gemeinde in Zingst, Holger Apel, gab jedem der Reisenden einen Sonderdruck des Zingster Gemeindesbriefes mit auf den Weg, der das Wirken Dietrich Bonhoeffers in Zingst zum Inhalt hatte. Der evangelische Pfarrer Bonhoeffer war im Sommer des Jahres 1935 Leiter des Predigerseminares in Zingst. Er bereitete junge Theologen auf ihre Tätigkeit in der „Bekennenden Kirche“ vor. Die hatte sich damals gegen die vom Nationalsozialismus beeinflussten „Deutschen Christen“ gebildet. Mit fast klösterlichem geistlichem Leben und in brüderlicher Gemeinschaft rüsteten sich seine Seminaristen für die unausweichlich auf sie zukommende Auseinandersetzung mit der unmenschlichen Ideologie des Nazismus. Einer seiner Schüler, Albrecht Schönherr, wurde später Leitender Bischof des Kirchenbundes der DDR.
Der Mix aus Sonne, Regen, Sturm und die Mischung aus Natur, Kunst und Kirche machten diese Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis. Auch der Busfahrer verabschiedete sich von der Reisegruppe mit der Bemerkung, er habe während dieser Fahrt unter seinen Fahrgästen einen guten Geist gespürt, und er habe vieles kennen gelernt, was ihn zum Nachdenken anrege.