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Elternsein in der Corona-Krise: vom Druck, alles richtig zu machen

Region.

Wirtschaftliche Sorgen, Angst um gefährdete Verwandte und Kinderbetreuung in Vollzeit: Eltern stehen in der Corona-Krise besonders unter Druck. Lehrer und Spielkamerad, Sporttrainerin und Welterklärerin sein, die Arbeit im Homeoffice stemmen und die Gefühle der Kinder auffangen – können Väter und Mütter dieser Rolle überhaupt gerecht werden?

Esther Quindt ist Diplom-Psychologin und Familientherapeutin in der Familien- und Erziehungsberatungsstelle Burgdorf. Sie wünscht Eltern in der derzeitigen Ausnahmesituation vor allem Großzügigkeit mit sich selbst. „Mittlerweile sind alle Kanäle voll mit Tipps für Familien. Aus Beratungssicht stimmt mich das nachdenklich, weil die gut gemeinten Ratschläge auch Druck erzeugen können. Nicht alle Eltern haben Zeit oder Nerven für aufwendige Bastelprojekte oder phantasievolle Theateraufführungen – schließlich machen auch Haushalt, Einkauf und Kochen zusätzliche Arbeit, wenn alle Familienmitglieder zuhause sind.“

Dabei können die Anregungen durchaus hilfreich sein – wenn die betroffenen Mütter und Väter sich mit ihnen wohlfühlen. „Wer aber versucht, die langen Listen mit Tipps abzuarbeiten, kann sich schnell überfordert fühlen“, meint Quindt. „Besser ist ein wenig Mut zur Lücke, auf die eigene Intuition zu vertrauen und auf die Signale der Kinder zu achten.“

Manchmal kann es schon helfen, die Kinder in die täglichen Aufgaben einzubeziehen: „Gemeinsames Kochen, Abwaschen oder Staubsaugen gibt dem Nachwuchs das gute Gefühl, etwas zum Familienleben beizutragen und führt oft zu schönen gemeinsamen Momenten.“ Falls zwischendurch doch mal Langeweile aufkommt, ist das auch kein Beinbruch: „Viele Kinder werden dann kreativ und entwickeln Ideen zur Selbstbeschäftigung – aus Sicht der Hirnforschung ist das viel produktiver als Daueranimation von den Eltern.“

Ein guter Leitfaden: Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen treffen, pragmatische Lösungen suchen und dabei die Kinder und sich selbst nicht zu vielen Reizen aussetzen. Also erstmal keine Schulaufgaben machen, weil gerade etwas Anderes wichtig ist? Kein Problem. Keine Langzeitprojekte angehen und die Woche durchtakten, sondern nur für den Tag planen? Auch gut. „Wenn Eltern ihren anspruchsvollen Alltag meistern, ist das auch schon eine Leistung, auf die sie stolz sein können.“

Die Expertin beruhigt: „In einer Umfrage für die Zeitschrift „Eltern“ aus dem Jahr 2015 sagten von 700 Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren 92 Prozent ,Meine Eltern sind die besten Eltern, die ich mir vorstellen kann‘ und 91 Prozent ,Bei meinen Eltern fühle ich mich immer sicher und wohl‘. Das ist ein Puffer, auf dem man sich ausruhen darf – auch wenn es mal nicht so rund läuft.“

Zum Netzwerk Familienberatung gehören neben den Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche der Region Hannover auch die Jugend- und Familienberatung der Landeshauptstadt sowie Beratungsstellen freier Träger. Mit Fragen zur persönlichen Familiensituation können Eltern sich per Mail an netzwerkfamilienberatung@region-hannover.de wenden. Auch telefonisch sind die Beratungsstellen weiterhin für Mütter und Väter da. Einen Überblick mit den Kontaktdaten aller Einrichtungen gibt es unter www.hannover.de/netzwerkfamilienberatung.