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Organisierte Kriminalität in Niedersachsen 2022: Zahl der Verfahren weiter auf hohem Niveau

Region. Die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens, und die Niedersächsische Justizministerin, Dr. Kathrin Wahlmann, haben am Montag, 20. November, gemeinsam das Lagebild der Justiz und der Polizei „Organisierte Kriminalität in Niedersachsen 2022“ vorgestellt..

Innenministerin Behrens sagt: „Die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) ist für uns - also Justiz und Polizei - von entscheidender Bedeutung, denn sie stellt eine ernsthafte Gefahr für unsere Gesellschaft dar. Drogenhandel, Menschenhandel und Waffenhandel, sind nur ein Teil der Aktivitäten mit denen diese kriminellen Organisationen erhebliche soziale Schäden anrichten. Sie untergraben unsere Wirtschaft, sie fördern Korruption und sie bedrohen in ihrer schlimmsten Ausprägung sogar die nationale Sicherheit. Auf Grund der auf Verschleierung ausgelegten Vorgehensweise der Täter bewegt sich ein nicht unerheblicher Teil der Organisierten Kriminalität im sogenannten Dunkelfeld. Es ist vor diesem Hintergrund durchaus eine gute Nachricht, dass wir im Jahr 2022 die zweithöchste Zahl von OK-Verfahren in den letzten zehn Jahren zu verzeichnen haben. Das zeigt, dass wir das Dunkelfeld Stück für Stück weiter aufhellen.“

Justizministerin Dr. Wahlmann: „Der entschiedene Kampf gegen jede Form der Organisierten Kriminalität hat auch weiterhin oberste Priorität für Justiz und Polizei in Niedersachsen. Die kriminellen Strukturen bedrohen unseren Staat, unsere Gesellschaft und uns alle, deshalb wird der Rechtsstaat hier klare Kante zeigen. Und dabei sind wir auf einem guten Weg: Der bisherige Höchststand von 114 staatsanwaltschaftlichen Verfahren im Jahr 2022 ist ein deutlicher Beleg für die erfolgreiche Arbeit von Justiz und Polizei. Daher gilt mein besonderer Dank unseren Staatsanwaltschaften und Gerichten, die mit ihrer Einsatzbereitschaft und Beharrlichkeit unseren Rechtsstaat so erfolgreich verteidigen.“

Wesentliche Inhalte des Lagebildes

Die niedersächsische Polizei führte im letzten Jahr 68 Ermittlungsverfahren (Vorjahr 78) durch, 17 weitere Ermittlungskomplexe wurden im Auftrag niedersächsischer Staatsanwaltschaften von den Bundesbehörden (Bundespolizei und Zoll) bearbeitet. Bei diesen 85 gemeldeten Verfahren ging es zum größten Teil um den Handel mit oder Schmuggel von Betäubungsmitteln (52 Verfahren).

Insgesamt wurde gegen 684 Tatverdächtige aus mehr als 50 verschiedenen Staaten ermittelt. Tatverdächtige deutscher Nationalität stellten dabei mit 318 Personen den größten Anteil, gefolgt von den türkischen Staatsangehörigen mit 78 Personen.

Der hochgerechnete Gesamtschaden der OK lag im Jahr 2022 bei etwa 468 Mio. Euro (2021: 167 Mio. Euro). Hierbei ist zu berücksichtigten, dass beispielsweise auch Gebäudeschäden im Kontext von Geldautomatensprengungen einfließen. Insgesamt konnten Vermögenswerte in Höhe von ca. 6,3 Mio. Euro (2021: 4 Mio. Euro) vorläufig gesichert werden. Damit konnte der sich seit 2019 abzeichnende Abwärtstrend gestoppt werden.

Schwerpunkte der Organisierten Kriminalität

Kryptierte Kommunikation

Nachdem über Monate Millionen von Nachrichten des Krypto-Handy-Anbieters EncroChat abgefangen werden konnten, hat sich diese Erfolgsgeschichte fortgesetzt: Auch Daten der Anbieter SkyECC und ANOM befinden sich nach deren Entschlüsselung im Zulauf zu den Bundesländern. Die bisherigen und zum Teil noch andauernden Auswertungen dieser Informationen haben allein für Niedersachsen eine außergewöhnliche Dimension erreicht.
Im Berichtsjahr 2022 basierten 29 der niedersächsischen Verfahren und damit 42 % auf Erkenntnissen aus der verschlüsselten Täterkommunikation.

Innenministerin Behrens erklärt dazu: „Um diese Tätergruppierungen dingfest zu machen, müssen wir sie sowohl in der analogen, als auch in der digitalen Welt bis ins Darknet hinein mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entschlossen verfolgen. Denn der Einsatz von verschlüsselter Kommunikation und Endgeräten gehört weiterhin zum Standardrepertoire der OK. Deshalb forcieren wir den flächendeckenden Einsatz neuester Technologien, Analyse-Tools und Software in der Polizei Niedersachsen.“

Rauschgiftkriminalität

Der Deliktsbereich der Rauschgiftkriminalität ist die am meisten festzustellende Hauptaktivität der OK-Gruppierungen und somit auch deren Haupteinnahmequelle. Unverändert gelangen große Mengen von Betäubungsmitteln insbesondere aus Südamerika und dem Nahen Osten nach Europa. Die wiederkehrende mediale Berichterstattung über Rekordsicherstellungen belegt, dass Deutschland nicht nur eine Abnehmerland ist, sondern die Rolle eines zentralen Knotenpunktes der Transportrouten in das benachbarte europäische Ausland innehat.

Im Berichtsjahr 2022 betrafen 52 Verfahren der insgesamt 85 gemeldeten OK-Verfahren den Deliktsbereich der Rauschgiftkriminalität.

Ministerin Dr. Wahlmann: „Organisierte Kriminaltät wird immer deutlicher zu organisierter Drogenkriminalität. Das ist erschreckend, denn zum einen ist Rauschgift eine große Gefahr für unsere Gesellschaft, vor allem für junge Menschen. Zum anderen sind die organisierten Drogenbanden in der Regel absolut skrupellos und an Gefährlichkeit nicht zu unterschätzen. Die steigenden Fallzahlen im Bereich der Rauschmittelkriminaltät sind aber auch der Beweis für die hervorragende Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaften und der Polizei. Uns ist es gelungen, dem Rauschgifthandel empfindliche Schläge zu versetzen. Unsere Botschaft an die Täter ist klar: Fühlt Euch nicht sicher, wir werden Euch weiterhin mit Nachdruck verfolgen und mit der gesamten Härte des Rechtsstaates bestrafen.“

Geldautomatensprengungen

In Niedersachsen wurde im Jahr 2022 mit insgesamt 68 Taten wiederholt eine Steigerung der Fallzahlen verzeichnet. Hierbei wurden 40 Taten vollendet, bei 28 handelte es sich um Versuchstaten ohne Beuteerlangung. Zwar sind für diese Angriffe unterschiedliche Tätergruppierungen verantwortlich, der größte Anteil der Täter stammt jedoch aus den Niederlanden, welche nur zur Tatausübung kurzfristig in das Bundesgebiet einreisen. Im laufenden Jahr kann bisher ein deutlich sinkender Trend der Fallzahlen festgestellt werden.

Ministerin Dr. Wahlmann: „Die Geldautomatensprengung ist der Bankraub des 21. Jahrhunderts. Die Täter gehen äußerst skrupellos vor und bringen die umliegende Bevölkerung, Polizeibeamte und Verkehrsteilnehmende in akute Lebensgefahr. Mit insgesamt 68 Taten in Niedersachsen haben wir im Jahr 2022 einen Höchststand dieser gemeingefährlichen Taten erreicht. Gleichzeitig deutet der Rückgang der Taten im laufenden Jahr 2023 darauf hin, dass unsere Strategie der energischen Verfolgung erfolgreich ist. Wir werden daher nicht nachlassen. Die im Haushaltsplanentwurf 2024 vorgesehene personelle Verstärkung der Zentralstelle zur Bekämpfung von Geldautomatensprengungen bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück ist dementsprechend eine deutliche Kampfansage an die Sprengerszene.“

Kriminelle Clanstrukturen

Die Bekämpfung krimineller Clanstrukturen stellt die niedersächsische Polizei unvermindert vor große Herausforderungen und bildet seit Jahren einen landesweiten Schwerpunkt in der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung.

In 2022 wurden insgesamt zehn entsprechende Ermittlungskomplexe gemeldet, in denen 108 Tatverdächtige in Clanstrukturen eingebunden waren oder Bezüge zu diesen festgestellt wurden. Im Jahr 2021 waren es noch acht Verfahren. Auch die Anzahl der Tatverdächtigen ist merkbar um über 40 % angestiegen. Dieser Aufwärtstrend korrespondiert mit den generell anwachsenden Fahlzahlen dieses Phänomens. Die Zahlen belegen allerdings nicht zwingend ein Aufwachsen der Clankriminalität; es zeigt sich hier vermutlich auch die Wirkung der justierten Stellschrauben im Bereich polizeilicher Analyse und Auswertung, wodurch die Clankriminalität nach und nach immer mehr ins Hellfeld der polizeilichen Wahrnehmung rückt.

Trends in der OK-Bekämpfung

Die hochkriminellen OK-Gruppierungen zeichnen sich insbesondere durch eine enorme Kreativität und Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Rahmenbedingungen aus - alles im Sinne einer ausgeprägten Macht- und Gewinnmaximierung. Dabei zeigen sie sich zunehmend flexibel in Bezug auf die jeweilige Tatausführung und reagieren schnell auf jeden gesellschaftlichen Trend. Die Täterstrukturen sind immer häufiger international vernetzt. Deshalb gewinnt auch die internationale polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit immer weiter an Bedeutung.

Innenministerin Behrens: „Das Nachverfolgen und Sichtbarmachen der verschlüsselten Kommunikation – wie die Bekämpfung der OK insgesamt – erfordern einen hohen personellen, zeitlichen, technischen und finanziellen Ressourceneinsatz.  Es braucht eine moderne und agile Polizei, die mit den Mitteln der OK Schritt halten kann. In Niedersachsen haben wir dafür in den vergangenen Jahren die richtigen Weichen gestellt. Das beginnt in der Aus- und Fortbildung und setzt sich in der Organisationsstruktur in der Fläche fort. So haben wir landesweit in jeder Polizeiinspektion Ständige Ermittlungsgruppen zur Bekämpfung Komplexer Krimineller Strukturen eingerichtet und mit zusätzlichem Personal ausgestattet. Diesen Weg gehen wir konsequent weiter, denn die interdisziplinäre Bekämpfung der Organisierten Kriminalität bleibt auch in den kommenden Monaten und Jahren ein Schwerpunkt der Arbeit der Ermittlungsbehörden.“


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