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„Ich muss beim Erzählen immer weinen“ – Gemeinde verlegt mit Nachfahren Stolpersteine

Wennigsen. Die Gemeinde Wennigsen hat gemeinsam mit Nachfahren zwei Stolpersteine für Laya und Adolf Semler verlegt. Dazu sind die Enkelin Joanna Kalowski, ihr Ehemann und zwei erwachsene Kinder aus Sydney, Australien nach Wennigsen kommen. Die Stolpersteine sollen an der Neustadtstraße 15 an die beiden Holocaustüberlebenden erinnern. .

„Ich muss immer weinen, wenn ich die Geschichten meiner Großeltern erzähle“, erklärte Joanna Kalowski den vielen anwesenden Wennigser Bürgern bei der Stolpersteinverlegung. Es ist eine Geschichte von viel Mut, Treue und einer Liebe, die den Holocaust überlebt hat und es den Nachfahren nun möglich machte, in Wennigsen dem Leben von Laya und Adolf Semler zu gedenken.

Michael Wittich, Gemeinde Wennigsen, hatte lange versucht Kontakt zu der Familie in Australien aufzunehmen, was letztendlich gelang. Laya und Adolf Semler, sie Jüdin und er Konvertierter mit Orden aus dem 1. Weltkrieg, kamen aus ärmlichen Verhältnissen. „Diese Orden retteten unserer Oma oft das Leben, da Opa sie stehts einsetzte, um die Nazis zu überzeugen, einem Kriegshelden nicht seine Frau zu nehmen,“ erzählte Kalowski unter Tränen. Mehrfach sei die Gestapo gekommen, um Laya Semler abzuholen. Es wäre sehr leicht für Opa Adolf Semler gewesen, sich von seiner Frau loszusagen und sich selbst zu retten, ist die Enkelin bis heute erstaunt über den Mut des Großvaters. Viel erzählt hätten die Großeltern über die Ereignisse aus Deutschland nicht, sie hätten aber stets weiter an das Gute im Menschen geglaubt. „Und das tun auch wir heute noch“, so Kalowski. Doch das Erlebte wirkt bis heute nach. „Ich kann bis heute kein Brot wegschmeißen, da Oma erlebt hat, wie Menschen für einen kleinen Kanten ihr Leben gaben.“ Enkelin Kalowski setzt sich eigenen Angaben nach bis heute für Gleichberechtigung ein und das Hass, oder endlose Schuldzuweisungen ein Ende finden. „Meine Oma sagte, wenn sie den Deutschen alles verzeihen könnte, dann aber eine Sache nicht. Das waren die Kinder. Sie sah wie dreijährige abtransportiert wurden und nie zurückkehrten.“  

Joanna Kalowski dankte der Gemeinde und allen Bürgern, die gekommen waren, um ihrer Großeltern zu gedenken. Wenn die letzten Juden, die aus dieser Zeit noch erzählen können, gestorben seien, wären es die Historiker und Denkmäler, die an diese schreckliche Zeit erinnern müssten.

Gemeinsam mit Bürgermeister Ingo Klokemann verlegten Joanna Kalowski, ihr Ehemann John Hempton und die erwachsenen Kinder Rick und Michaela Kalowski die Stolpersteine. „Wir müssen die Erinnerungskultur in Wennigsen am Leben halten“, so der Bürgermeister, „Es ist ein wunderbares Zeichen gegen den Hass, dass sie alle heute gekommen sind.“

Untermalt wurde die Verlegung durch die Musik von Laura Burgdorf (Gesang) und Hannes Suer (Gitarre).

Wittich fand bei seiner Recherche heraus, dass die Reinemachefrau Laja Semler und der Arbeiter Adolf Semler am 12. Oktober 1943 von Hannover nach Wennigsen ummeldeten und am 27. März 1947 nach Bondi, einem Stadtteil von Sydney, New South Wales, Australien abgemeldet haben. Laya wurde in Polen, Adolf in der Ukraine geboren. 1926 schlossen sie in Hannover die Ehe. Adolf Semler trug das Eiserne Kreuz 1914 und die Ehrennadel für Frontkämpfer 1914-1918, welches 1934 durch Reichspräsident Paul von Hindenburg gestiftet wurde. Mehr als 1.200 jüdische Bürger Hannovers mussten nach einer städtischen Anordnung vom 3. September 1941 innerhalb weniger Stunden ihre Wohnungen verlassen. Sie wurden zwangsweise in 16 „Judenhäuser“ im Stadtgebiet eingewiesen. Darunter auch die Semlers aus Wennigsen, so die Recherche von Wittich. Adolf Semler ist in einer Gefangenenliste der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) als Häftling des Lagers Wintjenberg verzeichnet. Es ist anzunehmen, dass er und rund 1.000 andere Gefangene von der US Army befreit wurden. Yad Vashem und das United States Holocaust Memorial Museum führen Laja Semler als in Theresienstadt gefundene jüdische Überlebende. Layas Enkeltochter Joanna Kalowski berichtet dazu: „Als sie schließlich deportiert wurden, sagte er ihr zwei Dinge: 1. Wir werden das überleben und 2. Wir treffen uns nachher in Wennigsen! Nach seiner Befreiung machte er sich auf den Weg zurück nach Wennigsen und wartete jeden Tag auf dem Dorfplatz, um den Ausruf der Liste von Überlebenden des Roten Kreuzes zu hören.“ Tatsächlich wurden die beiden wieder vereint.

In Australien haben die beiden dann in einem Haus neben Layas erster Tochter aus der ersten Ehe gewohnt und sich viel um die Enkelkinder Harold und Joanna gekümmert. Joanna Kalowski erzählt, während sie und ihre Familie sich immer wieder Tränen aus den Augen wischen, dass sie ihre Großeltern sehr geliebt habe und sie bis heute sehr großen Einfluss auf ihr Leben hätten.

Die gesamten Ergebnisse der Recherche von Michael Wittich, sollen in einer Broschüre veröffentlicht werden.

Im Anschluss an die Stolpersteinverlegung wurde noch ein Straßenschild für den Laya-Semler-Weg enthüllt.


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