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Andacht für getöteten 14-Jährigen

Pastorin Franziska Oberheide entzündet eine Kerze zum Gedenken im Innenraum der Corvinus-Kirche in Wunstorf. Bild: Nancy Heusel/Landeskirche Hannovers.

Gedenken im Innenraum der Corvinus-Kirche in Wunstorf. Bild: Nancy Heusel/Landeskirche Hannovers.

Wunstorf. Heute fand um 11 Uhr eine Andacht für den getöteten 14-Jährigen in der Corvinuskirche statt. Pastorin Franziska Oberheide begrüßte die Anwesenden mit folgenden Worten: "In unserer Heimat – in unserem Stadtteil – bei uns zu Hause – ist etwas Furchtbares geschehen. Wir sind hier. In der Kirche. Und wir haben keine Worte für all die Gefühle, die im Moment in unseren Herzen und im Bauch, durch den Kopf und die Seele kreisen. Die uns den Hals zudrücken, den Atem rauben. Unser Herz zum Rasen bringen.".

Sie fuhr fort: " Wir sind hier zusammen. Und wir fragen: Wie kann das sein? Dass einem Jugendlichen das Leben genommen wurde? Dass einer fehlt – und zwar aus einem unbeschreiblich grausamen Grund. Und wir fragen: Wie kann das sein? Dass ein Jugendlicher aus unserer Mitte mutmaßlich zum Täter geworden sein soll? Dass jemand aus unserer Mitte, jemand, den wir vielleicht als freundlich und zurückhaltend erlebt haben, möglicherweise zu solchen Taten fähig ist? Warum ist das passiert? Und was ist die Ursache? Wir sind hier in der Kirche. Und wir wollen verstehen. Unbedingt verstehen. Dabei merken wir: Es ist nicht möglich.

Ich stehe hier als Pastorin. Auch mir verschlägt es die Sprache, wenn ich die Berichte der letzten Tage lese. Wenn ich in den Nachrichten Details höre, die ich nicht aushalten kann. Und meine Vorstellungskraft mir Gedanken liefert, die ich eigentlich nicht denken möchte. Ich stehe hier. Und ich halte mich an den alten Worten fest. Die Worte sind es, die mir Halt geben. Mit einer Tragödie umgehen zu müssen lässt unterschiedliche Wege zu: Eine Möglichkeit besteht darin, Schuldige zu suchen und zu benennen. Das ist ein Weg, sich mit dem Unfassbaren auseinanderzusetzen. Ein weiterer Weg im Umgang mit dem, was sich hier in Blumenau ereignet hat, ist das Leugnen: Wir gehen am besten sofort in die Tagesordnung über. Alles ist doch wie gehabt. Und uns betrifft es ja nicht direkt, was hier geschehen ist. Also: Schwamm drüber. So schnell wie möglich vergessen. Und diejenigen, die leiden, am besten ignorieren. Auch das ist eine Art, mit der Dramatik der Situation umzugehen.

In der Bibel wird ein dritter Weg gezeigt: Das Hadern und Klagen. Das mit einander Aushalten und Weinen. Das Zusammenhalten und gemeinsam Ertragen. Wenn die Welt uns mit etwas konfrontiert, das nicht in unser Weltbild passt. Nicht unserem Vertrauen entspricht und unserer Zuversicht. Dann ist es erst recht Zeit zu beten. Dann ist es Zeit, Gott herauszufordern. Mit ihm in Beziehung zu gehen und uns Jesus als Vorbild zu nehmen. Der hat am Kreuz geschrien: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Das Gott-Anklagen ist wie ein Tappen im Dunkeln. Weil das Dunkel sowieso schon da ist. Da hilft es nicht stehen zu bleiben. Sondern zu gehen. Sich aufzumachen. So sind wir jetzt hier in der Kirche. Haben uns auf den Weg gemacht. Sind nicht stehen geblieben. Sondern in Bewegung gegangen. Auf die Suche. In die Gemeinschaft. Wir sind hier und beten und hören die alten Worte. „Schweres Leid drückt mich nieder. Ich bin gefangen und weiß keinen Ausweg mehr. Meine Augen sind vom Weinen ganz verquollen. Die Angst bedrängt mich von allen Seiten. Mein einziger Begleiter ist die Finsternis.“ Wir lesen und hören: So ist das im Leben manchmal. So schwer und so dunkel. Und weil das schon immer so war. Und immer so sein wird. Deshalb ist es so gut und so wichtig zu lesen, wie die Menschen vor uns sich einer solch belastenden Situation gestellt haben."

„HERR, mein Gott, du allein kannst mir noch helfen! Tag und Nacht schreie ich zu dir! Lass mein Gebet zu dir dringen, verschließ deine Ohren nicht vor meinem Flehen! Jeden Tag rufe ich, HERR, zu dir und strecke meine Hände nach dir aus.“ Amen


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