Ronnenberg. „Die 21 Städte und Gemeinden der Region Hannover intensivieren ihre Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit“, schrieb 2016 der damalige Regionspräsident Hauke Jagau. „Dabei übernimmt die Stadt Ronnenberg in gewisser Weise eine Vorreiterrolle.“ 2023 feiert die Ronnenberger Erinnerungskultur ihr 25-jähriges Bestehen. Dazu veranstaltet der „Förderverein Erinnerungsarbeit Ronnenberg (FER)“ ein Jubiläumsprogramm..
Es beginnt mit einer Veranstaltung zum Holocaust-Gedenktag, die am Freitag, 27. Januar, um 15 Uhr, am städtischen Mahnmal (Am Weingarten) für die von den Nazis ermordeten und vertriebenen Ronnenberger Juden stattfindet. Dieser Tag erinnert international an die Befreiung des KZ Auschwitz, wo auch die Ronnenberger Max Seligmann und Rosy Seligmann ermordet worden sind. Ihre Namen stehen auf dem Mahnmal. Am 9. Mai, zum Jahrestag des Kriegsendes 1945, lädt der FER sodann auf den Empelder Friedhof an der Häkenstraße ein. Dort befindet sich ein weiteres Mahnmal, das die Stadt Ronnenberg und der „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“ zur Erinnerung an die Kriegsopfer 1939-1945 errichtet haben - vor allem an dort beerdigte Polen und Sowjetbürger, die von den Nazis zur Zwangsarbeit nach Ronnenberg verschleppt worden sind. Der FER hat in diesem Zusammenhang eine Publikation herausgebracht. Im November steht schließlich ein Synagogenbesuch auf dem Programm. Höhepunkt ist eine Kulturveranstaltung mit dem Rabbiner Gábor Lengyel (Hannover). Er ist in einem Versteck des Budapester Gettos dem Holocaust entkommen, wurde Ingenieur in Deutschland und nach seiner Pensionierung Rabbiner. Sein herausragendes Arbeitsgebiet ist das interkonfessionelle Gespräch, das er auch mit dem Islam führt.
Die Ronnenberger Erinnerungsarbeit ist 1998 entstanden, als der damalige Stadtdirektor, Bernhard Lippold, im Naziterror aus Ronnenberg vertriebene Juden und ihre Familien aus Europa und Übersee einlud, ihre ehemalige Heimat zu besuchen. Im Beisein der 20 Gäste brachte die Stadt am damaligen Gebäude ihres Standesamtes Velsterstraße 2, in dem sich bis 1939 die Synagoge der Synagogengemeinde Ronnenberg befunden hatte, eine Gedenktafel an. 2005 war Ronnenberg mit Bürgermeister Wolfgang Walther die erste Stadt der Region Hannover, die drei Stolpersteine verlegte. 2013 errichtete sie ein Mahnmal für die ermordeten und vertriebenen Ronnenberger Juden.
Die Ronnenberger Erinnerungsarbeit war schon bald in der Bevölkerung verwurzelt. Bürger erforschten die jüdische Geschichte von Ronnenberg und veröffentlichten ihre Ergebnisse in drei Büchern. In Kulturveranstaltungen informieren sie regelmäßig über die Ronnenberger Juden und das Judentum im allgemeinen. Eine Wanderausstellung, die bisher nicht nur in Ronnenberg, sondern auch in Schulen und Gedenkstätten Niedersachsens und Westfalens gezeigt wurde, informiert über Leben und Vertreibung der Juden von Ronnenberg. 2014 entstand auf dem geschilderten Fundament der „Förderverein Erinnerungsarbeit Ronnenberg (FER)“. 2019 verlegte er u.a. 22 Stolpersteine und lud 2022 in Kooperation mit der Stadt anlässlich des deutschlandweiten Festjahrs „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ die ehemaligen jüdischen Familien Ronnenbergs in ihre alte Heimat ein. Er pflegt mit ihnen engen Kontakt.
Zur Beteiligung an der Erinnerungsarbeit hat der FER auch die Marie-Curie-Schule eingeladen. In einem Vortrag und Gespräch informierte er die Gymnasiale Oberstufe der Schule, die ihrerseits die jüdischen Gäste zu einer mehrstündigen Begegnung einlud. Schüler haben darüber hinaus mehrfach die Stolpersteine der Stadt und des FER geputzt. Der FER hat ihnen in dem geplanten Gedenk- und Lernzentrum Velsterstraße 2, in dem sich bis 1939 die Synagoge der Synagogengemeinde Ronnenberg befand, einen Arbeitsraum angeboten. So soll die Erinnerung als politische Aufgabe an künftige Generationen weitergegeben werden.