Region. Am Sonnabend, 24. April, sind die von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Änderungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Kraft getreten - gleichzeitig mit den dadurch notwendig gewordenen Änderungen in der niedersächsischen Corona-Verordnung..
Zukünftig fährt Niedersachsen im Hinblick auf die Rechtsgrundlagen zweigleisig aus der Pandemie heraus.
- Die neuen Regelungen des Infektionsschutzgesetzes greifen überall dort, wo an drei aufeinanderfolgenden Tagen die vom RKI veröffentlichten Inzidenzwerte von 100 pro 100.000 und Bürgern in sieben Tagen überschreiten und in denen die Verantwortlichen im Wege der Allgemeinverfügung diese Überschreitung festgestellt haben (im Folgenden = Hochinzidenzkommunen).
- Die Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen enthält fast ausschließlich Regelungen für Landkreise und kreisfreie Städte mit einer Inzidenz unter 100.
Der Bund hat mit den Änderungen im IfSG seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten nach Art. 74 Abs. 1 Ziffer 19 Grundgesetz wahrgenommen. In sehr viel größerem Ausmaß und mit sehr viel größerer Intensität als bisher regelt er im Detail Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, Betriebsschließungen und diverse Verbote. Diese Regelungen galten in Niedersachsen in weiten Teilen auch bislang bereits im Rahmen des § 18 a der Corona-Verordnung.
Inhaltlich werden über § 28 b IfSG insbesondere die folgenden Bereiche für Hochinzidenzkommunen neu geregelt:
- Bei privaten Zusammenkünften der Mitglieder eines Haushaltes mit einer Person aus einem anderen Haushalt können zukünftig zugehörige Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres teilnehmen (bislang bis 6 Jahre).
- Vom 24. April an gelten in allen niedersächsischen Hochinzidenzkommunen Ausgangsbeschränkungen. Danach ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum von 22 Uhr bis 5 Uhr des Folgetages nur in wenigen Ausnahmen gestattet. Körperliche Betätigung ist Einzelpersonen bis Mitternacht erlaubt.
- Im Öffentlichen Nah- und Fernverkehr und im Fernverkehr müssen zukünftig FFP2-Masken getragen werden. Einfache medizinische Masken reichen nicht mehr aus.
- Medizinisch, therapeutisch, seelsorgerisch oder pflegerisch nicht notwendige körperliche Dienstleistungen sind ab dem 24. April in Hochinzidenzkommunen untersagt. Lediglich das Friseurhandwerk und Angebote der Fußpflege bleiben unter strengen Auflagen erlaubt: Vorlage eines negativen Corona-Testnachweises und FFP2-Maskenpflicht für Dienstleister und Kunden. Da die entsprechende Bundesregelung in § 28 b Absatz 1 Satz 1 Ziffer 8 keine Gleichstellung von vollständig geimpften Personen mit getesteten Personen vorsieht, müssen auch geimpfte Personen einen negativen Test vorlegen.
- Alle ausnahmsweise geöffneten Geschäfte (Lebensmittel, Drogerien etc.) müssen die Anzahl der Personen in ihren Räumlichkeiten begrenzen: Läden mit einer Fläche von bis zu 800 qm Betriebsfläche dürfen pro 20 qm nur noch eine Kundin beziehungsweise einen Kunden ins Geschäft lassen. Ab 800 qm Betriebsfläche gilt eine Begrenzung von einem Kunden je 40 qm.
- Click & Meet ist ab dem 24. Aprill auch in Hochinzidenzkommunen bis zu einer Inzidenz von 150 (RKI-Wert) zulässig. Über 150 ist nur ‚Click & Collect' möglich.
- Kontaktloser Sport im Freien, allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des gemeinsamen Haushalts bleibt zulässig, außerdem Sport in kleinen Gruppen von höchstens fünf Kindern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres.
- Der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können die Außengelände von botanischen und zoologischen Gärten. Voraussetzung sind strenge Hygienekonzepte. Es gilt eine Maskenpflicht sonnabends, sonntags und an Feiertagen in der Zeit von 10 bis 18 Uhr, es muss vorher ein fester Termin gebucht werden und vor dem Einlass ein negativer Corona-Testnachweis vorgelegt werden.
- Freizeiteinrichtungen aller Art und auch Minigolfanlagen sind in Hochinzidenzkommunen zu schließen.
- Nach § 28 b Absatz 3 IfSG müssen allgemeinbildende und berufsbildende Schulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen in den Wechselunterricht übergehen, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Sieben-Tage-Inzidenz der Schwellenwert von 100 überschritten wird. Von dieser Regelung weicht Niedersachsen ab und regelt in § 13 der Corona-Verordnung, dass bei einem Überschreiten der 100er-Grenze an drei Tagen nur noch Grundschulen, Schulen für Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf in der geistigen Entwicklung und Abschlussklassen im Wechselunterricht bleiben dürfen. Alle anderen müssen in den Distanzunterricht gehen.
- Auch in Niedersachsen gelten soll jedoch die Regelung, dass wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 165 überschreitet, ab dem übernächsten Tag für allgemeinbildende und berufsbildende Schulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen die Durchführung von Präsenzunterricht untersagt ist. Abschlussklassen und Förderschulen können durch die nach Landesrecht zuständige Behörde von der Untersagung nach Satz 3 ausgenommen werden. Dies ist in Niedersachsen für die Abschlussklassen in der Grundschule, also die 4. Klassen in § 13 Absatz 2 Satz 4 erfolgt.
Niedersachsen hat seine Corona-Verordnung wie folgt an die neuen bundesrechtlichen Rahmenbedingungen angepasst:
- Die im Bundes-Infektionsschutzgesetz geregelten Maßnahmen dürfen vom Land Niedersachsen nicht unterschritten beziehungsweise gelockert werden, die Landesregierung ist jedoch berechtigt, überall dort, wo ihr dies notwendig erscheint, strengere Maßgaben vorzugeben. Diese Vorrangwirkung ist in dem neuen § 1 Abs. 1 der Nds. Corona-Verordnung geregelt. Strengere landesrechtliche Schutzmaßnahmen aber werden durch die bundesrechtlichen Regelungen nicht verdrängt. Dies gilt im Schulbereich: auch zukünftig müssen alle weiterführenden Schulen, alle Berufsschulen und alle Förderschulen - mit Ausnahme der Schulen für Kinder und mit Förderbedarf im Bereich der geistigen Entwicklung - in Niedersachsen bereits bei einem dauerhaften Überschreiten der Inzidenz von 100 vollständig in den Distanzunterricht übergehen und nicht erst bei einer Inzidenz von 165.
- Mit § 1 a Abs. 1 wird eine Harmonisierung mit den bundesgesetzlichen Regelungen zu den Inzidenzen in § 28 b Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 2 IfSG geschaffen. Maßgeblich sind zukünftig auch für die Maßnahmen der Nds. Corona-Verordnung die vom RKI veröffentlichten Inzidenzwerte.
- § 1 a Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 1 beschreibt den Mechanismus für eine rechtswirksame Feststellung der Inzidenzwerte und mit ihnen für die Geltung der jeweiligen Schutzmaßnahmen. In Übereinstimmung mit dem Bundesrecht (§ 28 b Abs. 1 Satz 1 IfSG) soll zukünftig auch für die Maßnahmen nach der Nds. Corona-Verordnung die Überschreitung der jeweiligen in der Verordnung festgelegten Werte an drei aufeinanderfolgenden Tagen maßgeblich sein (= „Dreitagesabschnitt"). Rechtswirksamkeit erlangen ein Inzidenzwert und die daran geknüpften Schutzmaßnahmen, indem die Landkreise und die kreisfreien Städte durch öffentlich bekannt zu gebende Allgemeinverfügung den Zeitpunkt feststellen, ab dem die jeweiligen Schutzmaßnahmen im jeweiligen Gebiet eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt gelten.
- § 1 a Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 erläutert in Übereinstimmung mit der bundesgesetzlichen Regelung in § 28 b Abs. 1 Satz 1 IfSG näher, wie der Zeitpunkt der Geltung der Schutzmaßnahmen zu bestimmen ist: der Zeitpunkt der Geltung der Schutzmaßnahmen ist der übernächste Tag nach dem Ablauf des Dreitagesabschnitts. Beispiel: Die Dreitagesfrist lief vom 20. bis zum 22. April. Am 23. April ergingen die Allgemeinverfügungen und am 24. April traten die Schutzmaßahmen in Kraft. Die Bürger müssen also die einschlägigen Inzidenzwerte nicht selbst nachverfolgen.
- § 1 a Absatz 2 Satz 2 regelt, dass die Bekanntgabe der Allgemeinverfügungen unverzüglich erfolgen soll. Der Begriff ‚unverzüglich' bedeutet ‚ohne schuldhaftes Zögern'.
- Den umgekehrten Fall der Unterschreitung des in der Verordnung festgelegten Inzidenzwertes regelt § 1 a Absatz 3: Hier gilt ein Fünftagesabschnitt. Anders als der Dreitagesabschnitt beträgt der Fünftagesabschnitt (so die bundesgesetzliche Vorgabe) fünf Werktage, Sonn- und Feiertage zählen nicht mit.
- In § 1 a Absatz 4 wird noch einmal klargestellt, dass die für die Allgemeinverfügung zuständigen Behörden in Niedersachsen die Landkreise und kreisfreien Städte sind.
- § 3 Abs. 1 Satz 4 setzt einen Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts um: Im Rahmen einer beruflichen Fahrgemeinschaft sind die Kraftfahrzeugführer von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ausgenommen.
- Die Geltungsdauer von Testergebnissen wird in § 5 a Absatz 1 Satz 6 auf nunmehr 24 Stunden vereinheitlicht und damit mit den Regelungen in § 13 Abs. 4 und § 14 Abs. 3 Satz 5 und mit denen des IfSG harmonisiert.
- In § 10 Abs.1 Ziffer 4 a ist das Verbot von Kinos mit Ausnahme von Autokinos als gesonderte Ziffer aufgenommen worden.
- Die Änderung in § 10 Abs. 1 Ziffer 5 setzt einen Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts um. Minigolfanlagen sind in Nicht-Hochinzidenzkommunen von der Schließung von Angeboten von Freizeitaktivitäten für den Publikumsverkehr und Besuche ausgenommen. Die übrigen Änderungen des Wortlauts dienen sprachlichen und redaktionellen Zwecken.
- Die Regelung § 10 Abs. 1 c Satz 1 am Ende nimmt Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres bei medizinisch notwendigen Behandlungen von der Testpflicht aus.
- Der Verweis auf § 5 a Abs. 2 in § 10 Abs. 1c Satz 2 führt zu einer Freistellung des körpernahe Dienstleistungen erbringenden Personals von der Testpflicht.
- Bei der Änderung in § 11 Abs. 2 und den entsprechenden Änderungen in den §§ 12 und 13 handelt es sich um Folgeänderungen zu § 1 a Absatz 1.
- Außerdem wird in § 12 Abs. 2 Satz 2 die Notbetreuung wegen einer Überschreitung der 100er Inzidenz geschlossenen Kindertageseinrichtungen auch in Bezug auf § 28 b Abs. 3 Satz 9 für zulässig erklärt.
- Mit § 13 Abs. 2 Satz 4 wird - wie oben bereits erwähnt - von der Ausnahmemöglichkeit des § 28 b Abs. 3 Satz 4 IfSG Gebrauch gemacht. Danach können Abschlussklassen und Förderschulen von der Untersagung des Präsenzunterrichts bei einem Überschreiten der 165er Inzidenz ausgenommen werden. Ausweislich der Begründung der bundesrechtlichen Vorschrift umfassen Abschlussklassen auch Übertrittsklassen an Grundschulen. Die 4. Klassen dürfen also weiter im Wechselunterricht bleiben.
- Das Bundesgesetz sieht in § 28 b Abs. 3 Satz 9 in Verbindung mit Satz 5 IfSG auch für Schulen die Möglichkeit der Einrichtung einer Notbetreuung im Landesrecht vor. Von dieser Möglichkeit wird im neu gefassten § 13 Absatz 3 Gebrauch gemacht.
- Durch die bundesgesetzlichen Regelungen nach § 28 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG werden die auf die Inzidenzwerte von 100 und 150 bezogenen Regelungen in dem bisherigen § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Abs. 3 und 4 zu Ausgangsbeschränkungen nicht mehr gebraucht; sie sind deshalb insoweit gestrichen worden. Nach dem neu formulierten § 18 Abs. 2 Satz 2 kann die zuständige Behörde aber bei einer Überschreitung des Schwellenwertes von 100 auch weitergehende Anordnungen in Bezug auf Ausgangsbeschränkungen unter Beachtung der materiellen Voraussetzungen des Bundesrechts treffen, also zum Beispiel über den bundesgesetzlich geregelten Zeitrahmen hinaus weitergehende Beschränkungen anordnen.
- Wegen der unmittelbar bindenden bundesgesetzlichen Regelungen über Gebiete mit hohen Inzidenzwerten sind die landesrechtlichen Regelungen nach § 18 a über Hochinzidenzkommunen nicht mehr erforderlich; § 18 a war deshalb ebenfalls zu streichen.
- In § 18 b Modellprojekte sind einige Folgeänderungen vorgenommen worden. § 18 b Absatz 6 Satz 3 und Absatz 8 gehen wegen der bindenden bundesrechtlichen Regelungen zu den Schutzmaßnahmen bei einer Inzidenz von 100 ins Leere und waren zu streichen.
- In § 19 Ordnungswidrigkeiten ist nach der Streichung des § 18 a die Passage, die auf diese Regelung Bezug genommen hatte, ebenfalls gestrichen worden.
Diese Änderungen in der Niedersächsischen Corona-Verordnung traten am Sonnabend, 24. April 2021 in Kraft.