Region. Die Beobachtung sowie die Analyse der Demonstrationen und Aussagen der Coronaleugner- und Querdenken-Bewegung zeigen eine zunehmende inhaltliche wie personelle Vermischung von Rechtsextremisten und Reichsbürgern mit Coronaleugnern bzw. mit dem demokratiefeindlichen Teil der Protestbewegung. In der Coronaleugner- und Querdenken-Bewegung hat sich eine neue Mischszene herausgebildet, in der sowohl Extremisten als auch Nichtextremisten aktiv sind. .
Der Niedersächsische Verfassungsschutz hat in einer Analyse vier ideologische Verbindungselemente der auf den ersten Blick sehr unterschiedlichen Milieus herausgearbeitet:
1. Der Glaube an Verschwörungstheorien und eine darauf basierende Weltsicht.
2. Ein starker Bezug zu (rechter) Esoterik.
3. Eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber der Moderne und die Berufung auf eine (konstruierte) „natürliche“ Lebensweise.
4. Ein Widerstandsnarrativ gegenüber dem Staat: Das nicht souveräne „Volk“ kämpft gegen eine vermeintliche Diktatur der „Eliten“.
An diesen inhaltlichen und ideologischen Schnittmengen ist abzulesen, dass die oft beschriebene reine Instrumentalisierung der Coronaleugner- und Querdenken-Bewegung durch Rechtsextremisten und Reichsbürger zu kurz greift.
Dazu der der niedersächsische Verfassungsschutzpräsident Bernhard Witthaut: „Die Bewegung wandert nach rechts und präferiert zunehmend rechte Parteien und Einstellungen.“
Den sozialen Medien und Messengerdiensten – insbesondere Telegram - kommt eine zentrale Rolle zu, sowohl bei der Vermischung der Szenen als auch bei deren Radikalisierung. Es ist deshalb ein wichtiges Signal, dass die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein schärferes Durchgreifen gegen Hetze und Gewaltaufrufe beim Messengerdienst Telegram angekündigt hat. „Die Entgrenzung und Vermischung von Rechtsextremisten und Reichsbürgern mit den Coronaleugnern birgt die Gefahr, dass sich Teile der Coronaleugner- und Querdenken-Bewegung am Gewaltverhalten der Extremisten orientieren. Bereits jetzt stellen wir klar eine Radikalisierung der Szene fest. Wir verzeichnen Chats, in denen zum Teil zur Bekämpfung unserer demokratischen Ordnung oder offen zur Anwendung von Gewalt aufgerufen wird. Teile der Protestierenden verhalten sich gegenüber der Polizei unkooperativ und lehnen staatliche Vorgaben ab. Unter anderem werden Versammlungsauflagen missachtet, Demonstrationen nicht angemeldet“, so Bernhard Witthaut zur aktuellen Situation.
Gewalttaten klandestiner Gruppen oder Einzelpersonen aus den Reihen der Coronaleugner- und Querdenken-Bewegung sind möglich. Deshalb bedarf die Mischszene intensiver nachrichtendienstlicher Aufklärung. Mit der Einrichtung des Verdachtsobjektes „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“ hat der Niedersächsische Verfassungsschutz bereits im Mai 2021 die Voraussetzung dafür geschaffen.
Zu diesen Einschätzungen führen u. a. folgende Feststellungen der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde:
- Langjährig aktive Verschwörungstheoretiker fungieren als Netzwerker und Vermittler zwischen den Milieus. Ihre (antisemitischen) Verschwörungstheorien werden teils von bekannten Coronaleugnern und Querdenkern übernommen.
- Coronaleugner und Querdenker radikalisieren sich in eigenen Filterblasen. Die stärkere Vernetzung der Führungspersonen mit Rechtsextremisten und Reichsbürgern fördern die Vermischung der Szenen.
- Teile der Reichsbürgerszene übernehmen Themen der Coronaleugner- und Querdenken-Bewegung, z. B. rund um die Impfungen oder die weiteren Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. In der Online-Kommunikation innerhalb der Bewegung werden immer häufiger Reichsbürgerthesen aufgegriffen, in denen die grundsätzliche Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland, ihrer Gesetze und Normen und ihrer Institutionen zum Ausdruck kommen.
- Auch Rechtsextremisten sind im Themenfeld „Corona“ aktiv. Viele Coronaleugner und Querdenker akzeptieren sie bei ihren Demonstrationen. Radikale Coronaleugner und Querdenker greifen insbesondere online immer öfter rechtsextremistische Ideologiefragmente auf.
„Wir müssen verhindern, dass sich eine Mischszene aus Rechtsextremisten, Reichsbürgern und Coronaleugnern und Querdenkern verfestigt, die zum Teil Gewalt als Mittel zur Erreichung ihrer demokratiefeindlichen Ziele befürwortet“, so Witthaut.