Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige

Tödlicher Unfall Kirchdorfer Rehr – So gehen die Einsatzkräfte mit dem Erlebten um

Barsinghausen. Der Unfall am Kirchdorfer Rehr vom letzten Freitag war ungewöhnlich heftig und hat die Menschen weit über die Grenzen von Barsinghausen erschüttert. Zwei Kinder (2 J./6 J.) verstarben, es gab mehrere Schwerverletzte. Schockierend war auch die Nachricht der Polizei, dass es wahrscheinlich ein illegales Straßenrennen war, welches diesen sinnlosen Unfall mit unfassbarem Verlust verursachte. Ganz vorne standen bei diesem Unfall auch die ehrenamtlichen Feuerwehrleute aus Barsinghausen. Wie gehen die Kameraden mit solchen außergewöhnlichen Erlebnissen um?.

Als Reporter trifft man erst nach den Rettungskräften am Unfallort ein. Oft wurden Verletzte bereits versorgt und in Krankenhäuser gebracht. Der Unfall am Kirchdorfer Rehr war von der ersten Sekunde an anders. Schon die Gesichter der Polizisten, welche die Unfallstelle absperrten, ließen Schreckliches erahnen. Aus der Ferne konnte beobachtet werden, wie der Rettungsdienst mit Hilfe der Feuerwehr sich um verletzte kümmerte. Die beiden lebensgefährlich verletzten Kinder mussten reanimiert werden. Das Jüngste verstarb noch am Unfallort, dass etwas ältere Geschwisterkind später im Krankenhaus. Die Feuerwehr besteht aus ehrenamtlichen Menschen, die hier freiwillig ihre Freizeit opfern, um anderen Menschen zu helfen. Sie gehen tagsüber ihren regulären Jobs nach, wollten am Freitagabend, wie alle anderen Menschen, einfach ins Wochenende starten. Es folgte die Einsatzmeldung. Doch welche Mechanismen gibt es in der Feuerwehr, damit schlimme Erlebnisse verarbeitet werden können und sich nicht belastend auf die Seele legen?

„Wir dürfen in kleineren Orten wie Barsinghausen auch nicht vergessen, dass die Wahrscheinlichkeit Freunde und Bekannte als Unfallopfer anzutreffen, recht hoch ist“, erklärt Jan-Henrik Büthe. Er war mit der Feuerwehr Egestorf im Einsatz, arbeitet regulär als Anästhesist und Notarzt. Er half das jüngste Kind zu reanimieren. „Die Minuten der Anfahrt, bis Klarheit über die Opfer herrscht, ist schon eine enorme Belastung“, so Büthe weiter. Gerade der Schutz von jüngeren Kameraden hatte Vorrang bei diesem Einsatz. Natürlich muss geholfen werden, jedoch sollten Bilder wie die vom letzten Freitag nicht schon den jungen Einsatzkräften zugemutet werden. „Da am Freitag auch viele Ersthelfer vor Ort waren, mussten die angeforderten Seelsorger sich auch um diese kümmern. Natürlich haben wir als Führungskräfte dann auch ganz besonders ein Auge auf unsere Kameraden“, beschreibt Markus Plackner, Feuerwehr Kirchdorf und Einsatzleiter beim Unfall Kirchdorfer Rehr. Noch am Freitag versammelten sich die Ortswehren in ihren Gerätehäusern und sprachen über das Erlebte. „Wir achten dann genau aufeinander. Versuchen Anzeichen zu erkennen, ob jemand gerade mit der Situation überfordert ist und natürlich haben uns dann auch die Notfallseelsorger unterstützt“, so Plackner, „Besonders wichtig war dann auch, dass keiner abends alleine Zuhause ist, sondern Familie und Freunde um sich hat und aufgefangen wird.“

Am Sonntag folgte ein weiteres Treffen, um mit etwas Abstand auf den Unfall zu blicken. Kurz nach dem Unfall sind alle noch voll Adrenalin, erst mit der Ruhe kämen die kreisenden Gedanken und die Frage nach einem „Warum?“, erklärt Büthe. „Die Kameradschaft ist das wichtigste dabei. Das Vertrauen zu den anderen. Es hat sich zum Glück schon vor Jahren geändert, dass solche Themen kein Tabu mehr sind. Es gibt keine Sprüche, dass man das Auszuhalten habe, oder ähnliches. Wir achten hier sehr darauf, dass schlimme Erlebnisse aufgearbeitet werden“, sagt Plackner. Es sollte nicht vergessen werden, sagten die Feuerwehrleute, dass gerade die Bilder mit den kleinen Kindern wohl niemals vergessen werden könnten. Es werde daher aufeinander geachtet und auch Wert darauf gelegt, dass Hilfe angenommen wird. Immerhin ist es ein Ehrenamt. Solche Eindrücke sollten nicht zur Belastung im normalen Beruf, oder in der Familie werden. Man müsste damit leben lernen. „Aber es gibt keine Routine für solche Einsätze“, gibt Feuerwehrmann Büthe zu bedenken, „Man kann das mehrfach gesehen haben, aber der eine Einsatz ist dann zu viel. Vielleicht auch dann, wenn man selbst kleine Kinder hat.“

Der Barsinghäuser Feuerwehrpressesprecher Henk Bison erklärt, dass bei dem Unfall am Freitag Kräfte der Johanniter, des ASB Barsinghausen und der Notfallseelsorge unterstützend vor Ort waren. Für die Feuerwehrkameraden besteht auch nach den Einsätzen stets die Möglichkeit, mit den Seelsorgern in Kontakt zu treten.

Pastor Matthias Stalmann ist bei der Notfallseelsorge tätig und war in den letzten Tagen mit vielen Betroffenen des Unfalls in Kontakt. „Das wichtigste ist das schnelle Gespräch am selben Abend, aber auch die Folgegespräche Tage und Wochen später. Denn nichts ist schlimmer als etwas zu verdrängen, dann habe ich es nämlich nicht verarbeitet und es kommt irgendwann wieder hoch.“ Er bestätigt, wie wichtig eine gute Kameradschaft unter den Feuerwehrleuten sei und das in den letzten Jahren das Thema Seelsorge Platz in der Ausbildung der Feuerwehrleute gefunden hat. „Die Kameraden sollen einfach früh wissen, es gibt da etwas, da kannst du dich melden, wenn du es brauchst“, so Stalmann. Eine Reaktion auf belastende Erlebnisse zu zeigen sei ganz normal, so der Seelsorger, wir alle seien nur Menschen. Doch wenn nach Wochen immer noch Probleme auftauchten, sei professionelle Hilfe wichtig.

„Gut ist auch, dass nicht nur die Feuerwehr Hilfsangebote anbietet, sondern dass auch die Berufsfeuerwehr, Polizei und Rettungsdienste Unterstützungssysteme für ihre Leute anbieten“, erklärt Pastor Stalmann. Der Vorteil der kleineren Ortsfeuerwehren sei aber, dass die Kameraden sich hier besser kennen. Die Führungskräfte oft die familiären Hintergründe kennen und so schon im Einsatz steuern können, wie weit die Kameraden belastet werden können. „Im Zweifel können wir auch immer noch nachalarmieren, um dann weitere Unterstützung vor Ort zu erhalten“, so Feuerwehrmann Büthe.

So bleiben die Wünsche, dass alle Helfer das Erlebte gut verarbeiten können und sich so ein Unfall nicht wiederholen mag.

 

Wer Interesse hat, in einer der Freiwilligen Feuerwehren der Stadt Barsinghausen mitzumachen, aktiv, fördernd, Kinder- oder Jugendfeuerwehr, oder in einem der Musik- oder Spielmannszüge, findet Ansprechpartner auf: www.stadtfeuerwehr-barsinghausen.de, oder auch auf Facebook.