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Ist das 700.000 Euro-Invest ein Schildbürgerstreich?

Northen.

Familie Windhorst aus Northen ist sauer. Sauer über den aus ihrer Sicht vollzogenen Schildbürgerstreich in Gestalt der neuen Radwege im nördlichen Stadtgebiet Gehrdens.  Radverkehrsförderung durch Bau neuer Radwege und deren zukunftsweisende Gestaltung gehörte zu den sinnvollen Dingen, mit denen die Region sich zu beschäftigen hat, findet die Familie. "Leider stellen wir im Moment fest, dass die Ergebnisse zu wünschen übrig lassen." Die sechs-köpfige Familie lebt in Northen. "Wir versuchen, möglichst viele Wege - auch der Kinder - mit dem Rad zu erledigen. Ab der vierten, fünften Klasse fahren die Kinder mit dem Rad eigenständig zur Grundschule und zur weiterführenden Schule nach Gehrden."

Im Folgenden beschreibt Vater Christian das aktuelle Dilemma, der neuen Radweggestaltung von Northen über Everloh Richtung Gehrden und zurück:

"Es beginnt mit einem schlecht durchdachten und schlecht durchgeführten Detail. Möchte man als Radfahrer aus der Großen Straße in Northen auf den Radweg entlang der Hannoverschen Straße abbiegen in Richtung Everloh, läuft man Gefahr, zu stürzen. Denn neuerdings ist dort eine lange diagonale Kante eingezogen von mehreren Zentimetern Höhe. Böse Falle für Radfahrer! Das war früher – als „Flachlösung“ deutlich besser zu befahren. Ortseingang Everloh: Wir Erwachsenen sind auch früher schon, wenn der Verkehr es gerade zuließ, nicht den kleinen Radfahrerumweg über „Hinter dem Hagen“ gefahren, sondern in Everloh die Straße runtergefahren. Allerding niemals mit den Kindern. Und die Kinder fahren natürlich auch jetzt nicht so, wie sich das „die Region“ denkt, auf die Straße nach Everloh hinein. Wir fahren weiterhin den alten Radweg, rechts um das Dorf herum. Das ist viel sicherer, man fährt den Autos, die hier noch sehr schnell sind und weiterhin sehr schnell sein werden, aus dem Weg.

An dieser Stelle (nördlicher Ortseingang Everloh) kann es sein, dass wir mit Kindern zu deren Freundinnen nach links müssen. Dafür könnte man nun die neue Querungshilfe gebrauchen, aber: Wenn man auf der anderen Seite angekommen ist, muss man noch vielleicht 20 oder 30 m im Gegenverkehr nach Süden weiterfahren, weil die Querungshilfe nicht dorthin gebaut wurde, wo man sie benötigt, sondern viel zu weit nördlich. Auch auf dem Rückweg, also mit Richtung Northen laufendem Verkehr, ist dies für Familien, die über die Straße wollen, womöglich mit Fahrradanhänger, ein Drahtseilakt. Der rot markierte Weg ist schmal, von hinten drängelt der ungeduldige Verkehr…

Zurück auf den Weg nach Gehrden: Wenn ich – als Erwachsener – die Straße durch Everloh wie neuerdings offensichtlich vorgesehen nutze, bremse ich den Autoverkehr hinter mir ab. Bin ich dafür da? Die Kreuzung über die B 65 nehme ich, eingereiht in den vor der Ampel wartenden Verkehr, na gut. Bis zum Friedhof folge ich der Straße, dann darf ich wieder auf den Radweg.

Der Rückweg: Ich fahre auf dem Radweg von Gehrden Richtung Everloh entlang der Straße Calenberger Blick. Am Friedhof Everloh soll ich nun nach rechts, die gefährliche Straße überqueren, womöglich mit Kindern? Dazu dient wohl die „Querungshilfe“ an der Stelle. Auf der rechten Straßenseite dauert es nicht lange und die Markierung hört auf, weil die Bushaltestelle dort befindlich ist. Fragezeichen über Fragezeichen. Bergan geht es – den Fahrradpiktogrammen folgend – bis zur Ampel. Um die Kinder und mich herum – sollen Kinder dieses Abenteuer auch alleine bewältigen? – Autos, Busse, Lastwagen, Trecker. Bergan (!) geht’s bei grün langsam weiter. Die ersten Laster überholen noch auf der Kreuzung, Gegenverkehr spielt keine Rolle, und nun fahren wir auf der engen und kurvenreichen Straße im fließenden Verkehr nach Norden bis zum Ortsausgang von Everloh. Da folgen wir dem eben schon erwähnten rot markierten Weg, überqueren, unterstützt von der tollen neuen Insel, die Straße und wischen uns auf dem alten Radweg nach Northen erstmal den Schweiß von der Stirn.

Doch das Abenteuer ist noch nicht vorbei. In Northen, am Ortseingang – hier fährt fast niemand 50, sondern fröhlich rollt der Verkehr mit 60, 70 oder 80 km/h in den Ort – überqueren wir wieder die Straße. Soll ja wohl so sein. Ein Stückchen rot markierter Fahrradweg folgt. Aber dieses Stückchen hört nach einigen Metern einfach auf! Und zwar haargenau an der Stelle, an der die Linksabbieger aus der Großen Straße Richtung Lenthe dazukommen!

Was hier für angeblich knapp 700.000 Euro gebaut wurde, ist ein Schildbürgerstreich, schlecht und ausschließlich am Schreibtisch ausgedacht, schlecht ausgeführt, unpraktisch, Familien nicht zumutbar, eine Katastrophe. Und das schlimmste: Ich habe den Verdacht, dass wir Fahrradfahrer als menschliches Bollwerk gegen den Autoverkehr eingesetzt werden. Und das ist höchst gefährlich. Offensichtlich haben die Schreibtischtäter, die sich das alles ausgedacht haben, überhaupt keine Ahnung vom wirklichen Leben im Verkehr auf unseren Straßen. Autofahrer nehmen auf Schwächere keine Rücksicht. Es wird überholt, beschleunigt, geschnitten, geblendet – haben Sie das alles noch nicht erlebt? Und wieso sollen wir Radfahrer uns dem aussetzen?

Wenn die Region so viel Geld für eine so überflüssige und schlechte Sache ausgeben kann, warum müssen dann die Bürgerinnen und Bürger in den Ortschaften für die Sanierung der Straßen aufkommen (STRABS)?

Meine Bitte: Erklären Sie mal vor Ort, im Berufsverkehr, uns Radfahrern und den Familien, den Müttern mit Kindern, die täglich von Everloh nach Northen und zurück fahren, wie diese Radwegkonstruktion sinnvoll zu gebrauchen ist.

Schließlich – was hätte man tun können, um den Autoverkehr zu beruhigen?

Es ist ein ausgemachter Unsinn, dass auf kurzen Strecken außerorts immer noch 100 gefahren werden darf. Das ist so z.B. zwischen Gehrden und Everloh und zwischen Everloh und Northen. Das gehört sich nicht mehr, das ist nicht mehr zeitgemäß! Schlecht für den Lärm, schlecht für die Umwelt, schlecht für die Radfahrer, schlecht für den Spritverbrauch. Einfache Lösung – aber sicher bürokratisch ausgesprochen schwierig herzustellen: Geschwindigkeitsbegrenzungen. Alle Strecken zwischen Ortschaften, die weniger als 2 oder 3 km gerade (!) sind, sollten auf grundsätzlich 70 km/h begrenzt werden, zusätzlich grundsätzlich zum Schutz der Menschen vor jeder dieser Ortschaften 200 m vor dem jew. Ortseingang bereits die Begrenzung auf 50 km/h erfolgen. Dazu Kontrollen! So würde man billig und einfach den Verkehr steuern und beruhigen."